Auch heute als Erwachsene und Freizeitreiterin gibt es für mich kein schöneres Gefühl, als durch die Natur zu reiten und sich dabei völlig frei zu fühlen.
Man lässt alle Sorgen und Gedanken am Boden, da man sich allein auf das Pferd und die Umgebung konzentrieren muss. Doch gab es eine Zeit, in der mir die Freude am Reiten beinahe verloren gegangen wäre.
Mit Einsetzen der Pubertät merkte ich, dass sich mein Körper veränderte. Insbesondere meine Beine nahmen immer mehr an Umfang zu. Plötzlich passten meine neuen Stiefel und Reithosen nicht mehr. Meine Mutter nähte meine Hosen weiter und von Stiefeln stieg ich auf Stiefeletten um.
Mit 15 – 16 Jahren brauchte ich schließlich in den Reithosen Größe 42 – 44, sodass ich Reithosen von einer Bekannten meiner Mutter bekam, was mir damals sehr unangenehm war.
Zudem saß es sich im Sattel plötzlich unbequem, ich hatte weniger Platz und irgendwie taten die Oberschenkel innen nach dem Reiten weh. Oftmals hatte ich abends blaue Flecken an den Beinen und wusste nicht einmal, woher diese kamen.
Gern hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon von meiner Diagnose gewusst, doch so fühlte ich mich zunehmend unwohler in meiner Haut, auch da ich mich mit meinen schlankeren Mitreiterinnen verglich.
Zum Glück ritt ich schon immer gern Haflinger, die kräftiger gebaut sind und von denen die meisten auch mit etwas mehr Gewicht gut zurecht kommen, sodass ich auf kein anderes Pferd umsteigen musste.
Während des Studiums musste ich mit dem Reiten aufhören, da ich mit Vorlesungen, Nebenjobs und neuen Freundschaften genug zu tun hatte. Als ich dann mitten in die Lüneburger Heide zog, wo gefühlt mehr Pferde als Menschen leben, bekam ich große Sehnsucht und begann schließlich wieder mit dem Reiten.
Inzwischen wusste ich jedoch von meinem Lipödem und beschäftigte mich daher genauer mit meinem Körper.
Mir fiel auf, dass die Stretch-Reithosen deutlich angenehmer saßen und weniger rieben. Zudem stieg ich auf Stiefeletten um, die einen flexiblen Schaft hatten und so weder einschnürten noch rieben. Außerdem achtete ich genau auf die Sitzgröße des Sattels. Hierbei machen bereits 2 cm zwischen den Größen einen großen Unterschied aus!
Zudem spielt auch die richtige Muskulatur des Reiters eine wichtige Rolle, damit Pferd und Reiter gut zusammen funktionieren, ohne sich gegenseitig zu stören. So ist es für uns als Reiterinnen wichtig, dass wir eine gute Bauch- und Rückenmuskulatur haben, um das Pferd rückenschonend und korrekt zu reiten.
Doch nicht nur die richtige Ausrüstung und die richtige Muskulatur sind wichtig, auch eine gewisse Vorbereitung kann hilfreich sein.
Ich empfinde Reiten in Kompression zwar eher als einengend, jedoch trage ich sie davor/danach. Bei der Stallarbeit hat sie so einen entstauenden (und im Winter sogar wärmenden) Effekt.
Zudem versuche ich meine Beinmuskulatur aufzuwärmen und danach noch etwas herum zu laufen, steige deshalb manchmal auch schon auf dem Rückweg des Ausritts etwas früher ab.
Im Winter kennt es außerdem sicherlich jede von uns: Die Beine und Arme nehmen die Kälte förmlich auf und sind auch nach stundenlangem Aufwärmen noch kalt. Hier habe ich elektrische Wärmedecken für mich entdeckt. Zudem kann ein kleiner Massageball/Igelball die Durchblutung anregen.
Auf die Frage: „Lipödem und Reiten, geht das?“ würde ich also antworten: „Ja na klar!“. Auch wenn wir vielleicht in einigen Situationen etwas eingeschränkter sind, so müssen wir doch keinesfalls auf das schönste Hobby der Welt verzichten!
Jede von uns sollte ausprobieren, wie lange sich das Sitzen im Sattel oder das Stehen beim Longieren gut anfühlt, quasi seine Schmerzgrenze austesten. Außerdem habe ich damit aufgehört, mich mit den anderen zu vergleichen, oder mir Kritik von Fremden zu Herzen zu nehmen.
Besonders manche Reitlehrer*innen, die von Lipödem noch nie etwas gehört haben, können sehr verletzende Dinge äußern. Bspw. sagte eine Dame mal zu mir, dass ich ja sicher mehr der „Couchpotato“ sei, so wie ich aussehe. Als ich ihr mitteilte, dass ich neben dem Reiten 2 – 3 mal die Woche Sport mache, war sie sehr überrascht.
Inzwischen versuche ich am Stall offen mit der Diagnose umzugehen, besonders da ich wegen der Liposuktionen im Stall und beim Weidedienst öfters ausgefallen bin.
Letztlich steckt in uns allen das Pferdemädchen von früher, welches einfach nur die Zeit mit dem liebsten Pony/Pferd genießen möchte und davon sollten wir uns von niemandem abhalten lassen.
Beitrag teilen
© 2024 deinestarkeseite.de
5 Responses
Toll mein Schatz,bin stolz auf dich.Deine Mutter
Liebe Katharina,
genau das sind die Geschichten die so wichtig sind und Mut machen.
So schön das Du auf Dein Herz hörst und Dir und Deinem Hobby treu geblieben bist. Danke für Deine Geschichte .
Viele Grüße
Michaela
Danke für diesen tollen Beitrag.
Ich bin leider durch das Lipödem zu schwer für mein Pony geworden… 🙁
Hey,
Ich stehe gerade an dem Punkt, wo ich mich entscheiden will, ob ich eine Liposuktion durchführen lasse…meine Beine stören mich massiv beim Reiten.
Allerdings frage ich mich: Wie lang musstest du aussetzen mit Reiten, nach der OP?
Liebe Grüße und freut mich für dich!
Hi ist die Hilfengebung als auch dein Gleichgewicht besser nach der Liposktion ?