Hallo liebe Lipödemkämpferinnen & -gewinnerinnen,
ich bin vor kurzem mit 40 Jahren das erste Mal Mutter geworden. 40 – in dem Alter haben manch andere schon pubertierende Jugendliche zu Hause am Tisch sitzen. Und trotzdem ist es, mit der Erkenntnis die ich heute habe, genau das richtige Alter für mich um nun Mama zu sein.
Insgesamt war es kein leichter Weg. Bereits 2006 habe ich die Pille abgesetzt. Durch den Hormonschub wurde mein Lipödem ausgelöst, aber das wusste ich damals noch nicht. Alles veränderte sich in und an mir. Schwanger wurde ich nicht, aber ich hatte auch eh nicht damit gerechnet, dass es schnell gehen würde. Und so zogen die Monate der körperlichen Veränderung und zunehmend die Jahre ins Land. Anfang 2016 kam dann die Lipödem Diagnose, schwanger war ich immer noch nicht. Es liegt an mir. Etwas stimmt mit mir nicht. Was ist falsch an mir? Warum löst dieser ganze Baby-Wunsch so einen Druck in mir aus? Will ich wirklich ein Baby? Kommt das alles vom Lipödem? Was, wenn alles noch schlimmer wird? All das überforderte mich einfach maßlos und ich stellte alles in Frage. Jahrelange unterdrückte Gefühle brachen über mich ein.
Ich entschloss mich in Therapie zu gehen. Ein wahnsinnig großer Schritt für mich. Ein Nackig-Machen vor mir selbst, vor meiner Seele. Vieles wurde „aufgeräumt“ in mir. Kindheit, Selbstliebe und Akzeptanz meines Körpers. Ein langwieriger und emotionaler Prozess, u.a. mit der Erkenntnis, dass wir Hilfe brauchten um endlich Eltern zu werden. 2019 begaben wir uns in Kinderwunschbehandlung. Ein weiterer großer Schritt, über den ich damals kaum offen sprechen konnte. Doch was bedeutete das alles für mein Lipödem? So viele Untersuchungen, Hormontherapien und regelmäßige Medikamenteneinnahmen standen mir bevor. Doch der Wunsch war so groß das ich alles in Kauf nahm. Nach 2 Jahren, insgesamt 9 Versuchen, 1 Fehlgeburt und 14 kg Gewichtszunahme durfte ich im März 2021 positiv testen und im November 2021 meine wunderschöne Tochter in die Arme schließen.
Ich hatte eine unglaublich tolle Schwangerschaft. Mein Lip-Schmerz war wie weggeblasen, ich hatte auch keine Rückenschmerzen oder sonstige Wehwehchen mehr. Ich war einfach nur schwanger. Die Kompressionsversorgungen von Juzo mit mitwachsendem Leibteil hab ich direkt am Anfang erhalten und so war ich die ganzen Monate gut versorgt. Ich habe insgesamt nur 8 kg zugenommen. Ich war so glücklich, denn die zusätzlichen 14 kg während der Hormonbehandlungen hatten mir schon gereicht. Kurz nach der Geburt, welche auch wieder mit Hormonen über 7 Tage lang eingeleitet wurde, hatte ich bereits 17 kg wieder abgenommen. Als ob mein Körper mir die Kg-Last, welche ich die letzten Jahre auf mich genommen hatte, einfach nehmen wollte. Die Stillzeit war leider schwierig für uns und so entschloss ich mich nach 3 Monaten abzustillen. Die Hormonbehandlungen, die Schwangerschaft, die Geburt, das Stillen und Abstillen – die erwarteten Schübe blieben trotz starker Gewichtszu- und abnahme aus. Unmittelbar nach dem Abstillen kam mein Lip-Schmerz über Nacht zurück. Aber „nur“ der Schmerz, sonst blieb alles gleich.
Mein Fazit: Bitte scheut Euch nicht um Hilfe zu bitten, egal ob aus physischen oder psychischen Gründen. Ein Schritt führt zum nächsten und manchmal öffnen sich dadurch neue Möglichkeiten oder zumindest neue Erfahrungen. Ich bereue es keine Sekunde diesen langen Weg gegangen zu sein. Mit Blick auf meine Tochter war es das alles wert. Ich weiß, das es nicht selbstverständlich ist, dass mein Körper so positiv auf alles reagiert hat und ich jetzt nach der Schwangerschaft sogar weniger Bein-Umfang habe als vorher. Ich bin dankbar, in vielerlei Hinsicht. Es hätte auch ganz anders laufen können, aber auch dann hätte ich es nicht rückgängig machen wollen.
Es ist gut, dass wir nicht wissen wie sich eine Schwangerschaft auf uns Lippis auswirkt. Ich glaube sonst würden vielleicht viele von uns den Schritt nicht wagen und sich dadurch etwas unglaublich Schönes nehmen.
Alles Liebe und bis bald
Eure Ivi
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3 Responses
Ich war dreimal mit Lipödem schwanger. Die Diagnose erhielt ich aber erst Jahre nach der 3. Schwangerschaft. Ich habe in jeder Schwangerschaft ca. 20 kg zugenommen, in der 3. sogar 25 kg. Heute weiß ich ja warum. Nach den Schwangerschaften nahm ich dann eigentlich jedesmal um die 10 kg wieder zu. Ich bin froh, dass ich erst nach den Schwangerschaften die Diagnose erhielt. Ich wüsste sonst nicht, ob ich sonst Kinder bekommen hätte. Aber dann wäre ich auch besser versorgt gewesen und hätte mir die zusätzlichen Wassereinlagerungen erspart. Aber man weiß es eben nicht. Hätte, hätte, Fahrradkette, wie man so schön sagt.
Vielen lieben Dank für diesen Beitrag. Mich beschäftigt das Thema gerade sehr, weil ein Kinderwunsch besteht aber auch gleichzeitig die Angst, wie sich das alles auf mein Lipödem auswirkt.
Mir geben solche Artikel immer sehr viel, weil ich dann merke dass ich mit meinen Sorgen und Ängsten nicht alleine bin und es völlig ok ist.
Ein sehr klarer und fundierter Artikel zum Thema Kinderwunsch und Schwangerschaft. Ich bin sicher, Sie haben mir damit geholfen. Ich weiß jetzt mehr oder weniger, was zu tun ist. Diese Informationen sind nämlich genau das, was ich gesucht habe.