Liebe Leserinnen und Leser,
ich bin Toni, 69 Jahre alt und ich bin ein Mann. Ich habe KEIN Lipödem. Warum ich trotzdem seit meinem 21. Lebensjahr eine Flachstrickversorgung an den Beinen trage, erzähle ich Euch in meinem Beitrag.
Toni
Blogger
Ich hatte mit 20 Jahren einen schlimmen Motorradunfall, bei dem mein rechtes Bein sehr stark verletzt wurde. Offene Unterschenkelfraktur, zerschmettertes Kniegelenk und eine komplizierte Trümmerfraktur des Oberschenkelknochens. Auch Becken und Wirbelsäule waren verletzt aber nicht so stark wie mein rechtes Bein. 7 Operationen, 3 Thrombosen, offene nässende Stellen, hässliche Narben, 2 Jahre gehen an Krücken, viel Edelstahl im Bein und das Bein wollte nicht mehr abschwellen.
Die Diagnose: posttraumatisches und postoperatives Ödem, Thromboseprophylaxe und Narbenkompression erforderlich.
Die Therapie: Kompression A bis G der Kompressionsklasse 3. Damals fast alles noch in Rundstrick und ich bekam anfangs viele Fehlversorgungen. Zu dünnes Gewebe, zu lang, bösartige Falten in der Kniekehle und die Versorgung rutschte ständig runter, „AOK-Straps“ oder Hautkleber, meistens beides.
Alle Versuche die, besonders im Hochsommer, extrem lästige Kompressionsbestrumpfung weg zu lassen, scheiterten kläglich. Die Quittung war immer ein dickes schweres und schmerzendes Bein bis zum Ulcus curis. Am Abend war das Bein ca. doppelt so dick wie früh morgens. Vor 12 Jahren hatte ich eine erneute Spontanfraktur meines Oberschenkelknochens, Marknagelung mit Titannagel im Knochenmark. Aber mein Femur wolle nicht mehr heilen. Bei weiteren Operationen, habe ich mich mit dem multirestenten Klinikkeim Staphylococcen in den Knochen infiziert. Die Folgen waren hohes Fieber, extreme Schmerzen und zwei verschiedene hochdosierte Antibiotika über 12 Wochen. Danach wieder Fieber und einen halben Liter Eiter im Oberschenkel. Mir wurde in einer Uniklinik eine hüftnahe Amputation als „Endlösung“ angeboten. Aber die Ärzte der Abteilung Septische Knochenchirurgie der BGU Murnau haben mein Bein dann doch noch gerettet. Allerdings musste der Oberschenkelknochen um 4,5 cm verkürzt werden. Doch die Weichteile wie Haut, Muskeln, Sehnen usw. blieben so lang wie ursprünglich. Das fühlte sich an wie ein wabbeliger Sack voll Pudding in und um den Oberschenkel.
Ab dem Zeitpunkt bin ich voll auf festen Flachstrick umgestiegen. Das war wie eine Erlösung für mich!
Zunächst ELVAREX-Strumpfhosen A – T von Jobst. Die steht fast von alleine in der Ecke und fühlt sich mehr wie eine Orthese an. Aber super robust, gut zu packen und greifen und daher trotz der Power gut anzuziehen, durch das grobmaschige Gewebe trotzdem relativ luftig.
Auch einige Versorgungen von Medi aus Bayreuth, von OFA aus Bamberg und von Sigvaris aus der Schweiz. Alle Varianten: Zehen offen, mit geradem oder schrägem Abschluss, geschlossene Zehenkappe, mit Einzelzehenkappe mit und ohne Einschluss des kleinen Zeh.
Nun ist meine neue Lieblingsversorgung vom „zornigen Julius“ aus Aichach, eine Leggins B – T JUZO Expert 3033 mit hohem komprimierendem Leibteil kombiniert mit knöchelhohen Einzelzehensocken ohne kleinem Zeh. Das lässt sich leicht, fast mühelos, anziehen. Bisgaardsche Pelotten kann man präzise einlegen und für die Zehen selber reicht Kompressionsklasse 1 gut.
Ich lasse mein relativ gesundes Bein grundsätzlich mit versorgen. Ich ertrage es nicht, wenn sich meine beiden Beine völlig unterschiedlich und asymmetrisch anfühlen. Ich habe mich inzwischen so an meine Flachstrick-Versorgung gewöhnt, dass ich mich ohne echt unwohl fühle. Compliance ist das Zauberwort. Spürt die wohltuende Power, die eine gute Flachstrickversorgung in Eure Körper und Euer Leben bringt. Ich mag es, wenn ich den therapeutischen Nutzen wirklich fest spüre. Ohne starke Kompression, da bin ich mir heute ganz sicher, hätte mein Bein schon längst amputiert werden müssen oder ich wäre an einer Embolie gestorben.
Ich bin trotzdem aktiv, gehe gerne wandern und zum Cardiotrainings ins Sportstudio. Schwarzer Flachstrick sieht immer sportlich aus und in Bewegung verbessert Flachstrick auch den Trainingseffekt.
Hochsommerliche Hitze kann für Flachstick-Heldinnen und -helden manchmal sehr herausfordernd sein. Dagegen gibt es einige Tricks, die ich mit meiner jahrelangen Erfahrung entwickelt und erprobt habe. Ich führe im Sommer immer einen kleinen Blumensprüher mit mir. Der wird in einer kleinen Kühltasche zusammen mit einem Kühlakku aus der Gefriertruhe transportiert.
Als Wasser verwende ich entweder destilliertes Wasser, vollentkalktes VE-Wasser oder mindestens „Brita-Wasser“ wie es für Tee oder zum Gießen von Orchideen und Bromelien auch verwendet werden soll. Würde ich das sehr kalkhaltige und harte Leitungswasser hier bei uns im Allgäu direkt verwenden, dann würden sich damit die Flachstrickversorgungen langsam zu dünnen „Gipsverbänden“ verkristallisieren.
Sobald ich das Gefühl habe, meinen Beinen ist es zu warm, nehme ich den Blumensprüher zur Hand und befeuchte meine Power-Pants mit dem eiskalten Sprühwasser. Das kühlt wunderbar ab und hält durch die nachfolgende Verdunstungskälte noch eine ganze Weile an. Den Kühleffekt der befeuchteten Flachstrick-Versorgungen kann mit einem kleinen Akkuventilator auch noch verstärkt werden. Kühle frische Beine trotz Flachstrick – Pfarrer Sebastian Kneipp lässt grüßen!
Ich würde mich freuen, wenn Euch der Tipp im Sommer hilft. Danke nach Aichach und lieben Gruß an alle Kolleginnen, die tagtäglich mit ihren Flachstrickversorgungen hadern und kämpfen.
Euer Toni
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2 Responses
Ein beeindruckender Bericht.
Das Abrollen der Strümpfe ist auch mein Problem.
Ich verstehe nicht, warum die Hersteller der Strümpfe den oberen Rand nicht mit etwas weniger starkem Material herstellen und nicht zu eng bemessen. Damit dürfte die Abrollerei womöglich weniger relevant sein.
Seit Jahren besteht dieses Problem ohne das eine wesentliche Verbesserung zu verzeichnen ist.
Meine Strümpfe liegen deshalb mal wieder, wie bereits auch davor in der Ecke.
Mit Strumpfhosen ist es auch nicht viel besser. Wenn man eilig auf die Toilette muss, gestaltet die Festigkeit und Zugkraft ebenfalls ein Problem. Ich verstehe nicht warum da nicht generell ein Reißverschluss eingearbeitet wird.
Nach so vielen Jahren der Herstellung von Stützstrümpfen müssten diese Probleme doch bereits behoben sein.
Ich wünschte, dass es uns Betroffenen dieserhalb schon längst leichter gemacht würde.
Ursula Morgenstern
Lieber Toni,
danke für den tollen Artikel und die wertvollen Tipps. Deine positive und lebensbejahende Einstellung tut gut und motiviert.
Lg
Michaela