Vor der Diagnose
Liebe Lipödemkämpferinnen,
jeden Tag Kompression zu tragen ist nicht einfach. Allerdings ist die Kompressionsbestrumpfung bei Lipödem so essentiell. Wie wichtig für mich meine Kompressionsstrumpfhose ist und welche Erfahrungen ich mit komplexer Entstauungstherapie gemacht habe, möchte ich euch heute erzählen.
Ich weiß, dass sich viele Frauen nach der Diagnose Lipödem und am Anfang der konservativen Therapie schwer mit dem Gedanken anfreunden können, die Kompressionsversorgung fortan jeden Tag zu tragen. Ich lese in den sozialen Netzwerken regelmäßig davon, dass man in die Strümpfe nicht hineinkäme, sie aber auch nicht passen würden, falsch gemessen oder fehlerhaft angefertigt seien. Man Ausschlag oder Hitzewallungen davon bekäme und überhaupt „Zustände“ hätte von der Festigkeit und Enge dieser medizinischen Kleidung. Man könne diese keinesfalls den ganzen Tag und schon gleich gar nicht bei Hitze aushalten.
Wenn dann aber, nachdem im Sanitätshaus und beim Strumpfhersteller alles gegeben wurde, die Kompressionsversorgung unverhofft doch passt, tauchen die nächsten Hindernisse auf. Man hat erstmal nur e i n e Strumpfhose und muss diese ja täglich waschen. Das ist tatsächlich ein echtes Problem, denn in eine vom Waschen noch feuchte Kompression zu schlüpfen, bedarf einiger Übung und Hartnäckigkeit. Zum Glück ist aber die e i n e Kompressionsstrumpfhose schon einmal besser als k e i n e. Nach spätestens einem halben Jahr bekommen dann alle Lipödem-Patientinnen in Deutschland eine Wechselversorgung genehmigt, viele auch schon früher.
Vor der Diagnose
Nach ein paar Monaten hat man also zwei Versorgungen, meist wird dann eine Schwarze gewählt und eine in Hautfarben. Das ist zwar übrigens anscheinend die Regel, aber kein Gesetz! Jetzt taucht also die nächste Herausforderung auf. Wie soll man diese Strumpfhosen mit seiner Kleidung kombinieren, ohne dass es gleich „omamäßig“, medizinisch (im Falle der hautfarbigen Variante) oder zu düster (im Falle der Schwarzen) wirkt?
Da ist dann tatsächlich etwas Kreativität und Experimentierfreude beim Outfit und Styling gefragt. Meiner Meinung nach ist es aber wirklich möglich, diese beiden Farbvarianten in seine Outfits zu integrieren. Leichter ist es vielleicht sogar, wenn man sich gleich von Anfang an mutig und offensiv für eine Kompressionsversorgung in einer Trendfarbe oder einem coolen Muster entscheidet. Aber dazu später mehr.
Vor der Diagnose
Ich trage meine medizinischen Strümpfe jeden Tag. Und das gerne. Ich ziehe sie am Morgen noch vor dem Frühstück an und am Abend gehört das Ausziehen der Kompression zu den letzten Dingen, die ich mache. Das war nicht immer so. Nach der Diagnose in 2013 hatte ich ca. ein Jahr eine zweiteilige Versorgung, die hauptsächlich rutschte.
Im Nachhinein ist mir so klar, warum sie nicht halten konnte. Ich wusch sie nur alle zwei Tage und ich hasste es damals noch meine Beine einzucremen. Also hatte ich eine ziemlich spröde Haut und viele lose Hautschüppchen, die sich im Gestrick meiner Versorgung verfingen und die Versorgung zum Rutschen gebracht haben. Heute weiß ich, dass ich meine Beine spätestens alle zwei Tage vor dem Zubettgehen eincremen muss und die Kompression nach einem Mal tragen in der Waschmaschine waschen sollte.
Wie es mir dann in der Schwangerschaft erging, habe ich in einem anderen Beitrag schon einmal erzählt. Ich sage nur so viel: Ich bin so dankbar, dass es inzwischen von Juzo eine wunderbare Versorgung für werdende Mütter gibt, die ich mir 2014 erträumt hätte.
Herbst 2014: Nach der Diagnose. Am Ende der Schwangerschaft mit ca. 92 kg, nur mit Kompressionskniestrümpfen.
Heute trage ich meine Flachstrickstrumpfhosen nicht nur so konsequent, weil mir meine Ärztin und meine Physiotherapeutinnen das empfohlen haben. Ich trage sie insbesondere deswegen, weil ich im Laufe meiner Krankheitsgeschichte die Erfahrung machen konnte, dass mir diese maßgefertigten flachgestrickten Kompressionsstrümpfe wirklich helfen.
Auf meinen Vorher-Nachher-Fotos sieht man, so meine ich, einen deutlichen Unterschied zwischen meinen Beinen vor der Diagnose Lipödem (Stadium 2 mit Lymphödem) und nach Beginn der konservativen Therapie mit Kompressionsstrümpfen und Entstauungstherapien (2015 und 2017). Der Umfangsverlust an den Beinen ist meines Erachtens nicht mit einem schlichten Gewichtsverlust des Adipositasfetts zu erklären. Ich bezweifle, dass meine erhebliche Umfangsreduktion allein durch mehr Sport zurückzuführen ist. Denn ich habe mich schon als Teenagerin gerne bewegt und auch dreimal die Woche Kampfsport getrieben. Dass die Umfangsreduktion an einer geringeren Kalorienzufuhr liegen könnte, bezweifle ich noch mehr, da ich ausreichend esse. Sogar Schokolade esse ich fast jeden Tag, allerdings nur ein paar Gramm einer Zartbitterschokolade.
Sommer 2011, 2 Jahre vor der Diagnose.
Nein, ich bin davon überzeugt, dass es weder der Sport noch die Ernährung alleine ausgemacht haben. Ich sehe den entscheidenden Baustein für meine Umfangsreduktion von Hosengröße 44/46 auf 36/38 darin, dass meine Beine zweimal in den vergangenen Jahren einer so genannten komplexen Entstauungstherapie unterzogen wurden.
Bei einer komplexen Entstauungstherapie erhält die Patientin jeden Tag eine manuelle Lymphdrainage und wird anschließend mit speziellen Bandagen gewickelt. Durch die täglichen Bandagen kann der Kompressionsdruck, welche die angestauten Flüssigkeiten abtransportiert, ideal angepasst werden. Man muss sich allerdings in der Bandagierung bewegen. Auch Verhärtungen werden in diesen zwei bis drei Wochen gelöst. Mein verhärtetes, knotiges Gewebe in den Beinen fühlte sich danach viel weicher, ebenmäßiger und glatter an. Nicht nur die Waage, sondern insbesondere die Umfangsmessungen ergaben, dass ich von Woche zu Woche dünnere Beine bekam.
Sommer 2017, 2. KPE (mit bandagierten Beinen)
Am Ende jeder stationären Entstauungstherapie erhält man außerdem eine neue passgenaue Kompressionsstrumpfhose, um die entstauten Beine weiterhin bestmöglich zu versorgen. Das ist ein riesiger Vorteil der stationären komplexen Entstauungstherapie gegenüber jeder Form einer ambulanten Entstauungsphase. Ein weiterer sehr guter Grund für die stationäre Entstauungstherapie ist der Kontakt mit anderen Betroffenen sowie die Gymnastik in dieser Gruppe und die Unterweisungen für die Selbsttherapie.
Für mich ist die Kompressionsstrumpfhose also eine wundervolle Alternative zur Bandagierung. Jede Betroffene muss wissen, Alternativen lauten nicht: Kompressionsversorgung ja oder nein. Sie lauten auch nicht: Flachstrick oder Rundstrick. Die Alternativen lauten: Flachstrick oder Bandagierung; und zwar täglich selbst bandagieren.
Beispielsweise können sich viele Lymphödempatienten im Ausland aufgrund anderer Krankenversicherungsbedingungen keine Kompressionsversorgung leisten. Sie wickeln sich stattdessen. Und wenn ich die Fotos dieser disziplinierten Menschen in den sozialen Medien sehe, spüre ich zum einen Hochachtung, zum anderen bin ich aber auch einfach nur dankbar, dass ich Kompressionsstrumpfhosen habe.
Ein dritter Aspekt, warum ich meine Kompressionsstrumpfhosen so bereitwillig, konsequent und sogar gerne trage, ist einfach der, dass ich mich durch diese Strumpfhosen hübscher fühle. Früher habe ich äußerst selten einen Rock oder ein Kleid getragen. Nicht nur, weil meine stämmigen Beine nicht meinem Schönheitsideal entsprachen. Sondern vor allem, weil meine voluminösen Oberschenkel beim Laufen aneinander rieben, ich dadurch Rötungen, Hitzepickel und sogar aufgeriebene Stellen bekam.
Seit ich aber – im Anschluss an die erste Entstauungstherapie im Herbst 2015 – meine erste einteilige Versorgung, eine Strumpfhose in Rot, hatte, trage ich fast nur noch Röcke und Kleider. Ich fühle mich dadurch gut gekleidet, weiblicher und attraktiver. Das liegt bestimmt auch daran, dass die passgenaue Kompression mein delliges Gewebe schön komprimiert. Das sieht gut aus und fühlt sich auch gut an.
Sommer 2018: 5. Jahr in Kompression, nach 2 KPEs (ca. 58kg)
Bei mindbodylife findet Ihr passend zum Beitrag eine neue Podcast-Folge mit Christina zum Thema Entstauungstherapie. Viel Spaß beim Reinhören!
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18 Responses
Hallo Christina ,
Danke für deinen wundervollen Beitrag..Du machst mir Hoffnung, dass mein Gewicht und mein Umfang sich doch noch reduzieren ..Ich finde in deinem Beitrag, vieles aus meiner Geschichte wieder . Aktuell machen mir allerdings die aufgeplusterten Arme und Beine doch sehr zu schaffen . Es wird Zeit an mir zu arbeiten und zu versuchen Futter-fett loszuwerden.
Hallo Christina,
sehr schöner Beitrag. Ich habe eine Frage zum Eincremen der Beine. Benutzt du eine bestimmte Creme oder Lotion oder jedes handelsübliche Produkt?
Ich bin sehr nachlässig mit dem Eincremen, doch deine Beschreibung mit den Hautschuppen leuchtet mir ein.
Liebe Claudia, ich benutze eine handelsübliche Bodylotion (Garnier).
Ich habe 2 Kompressionshosen und komme damit gar nicht zurecht. Daher trage ich sie kaum. Habe während dem Tragen durchgehend Bauchschmerzen weil die so drücken. Arzt meint, dass ist halt so. Zudem kann ich mich damit auch schlecht bewegen, bin eigentlich eher ein Mensch der schnell geht, damit jedoch nicht möglich. Es fühlt sich an, wie wenn mich immer ein Gummiband währen dem Gehen zurück geht. Und dann jedes Mal die Tortur mit dem Hochziehen, nur weil ich „schnell“ auf die Toilette wollte. Ich kann mich mit der Kompression gar nicht anfreunden…
Hallo,
ich habe eine zweiteilige Versorgung,bestehend aus Oberschenkelstrümpfen und Bermuda.Damit komme ich im Vergleich zur Strumpfhose super klar.
Die Bermuda hat einen Reißverschluß und 5 Haken,oben ein Klettband.Sie ist sehr hoch,bis fast unter die Brust.Das war anfangs ungewohnt.Aber es ist sehr angenehm ,da nichts auf den Magen drückt,was bei meiner Strumpfhose wirklich sehr unangenehm war.
Auch beim Gang zur Toilette ist das Rauf-und Runterziehen sehr viel leichter und geht schneller.
Ich trage meine Kompression jetzt wirklich gerne.
Hallo Christina
Danke für deinen tollen Beitrag.
Ich habe erst vor kurzen die Diagnose Lipödem und Lymphödem beides grad 2 bekommen.
War dann 5 Wochen in Reha und habe dort 2x tgl lymphdrainge bekommen mit anschießender Bandagierung.
Habe nun im Anschluss meine erste Kompressionsware bekommen und bin sehr glücklich. Es ist eine große Erleichterung zur Bandagierung .
Ich trage sie jeden Tag konsequent an Beinen und Armen.
Du hast geschrieben das man zwei mal im Jahr ein set beantragen kann. In der Klinik wurde uns gesagt das man zwei mal pro Jahr zwei Sets bekommen kann. Weißt du da was drüber.
Lg ramona
Liebe Ramona,
danke für deinen Kommentar. Tatsächlich ist es von Krankenkasse zu Krankenkasse unterschiedlich. Am besten ist es, du rufst bei deiner Versicherung an, um genaue Auskunft zu erhalten.
Sicher ist aber, dass du auch nach Ausschöpfung der Anzahl der Kompressionsversorgungen weitere Strumpfhosen bekommst, wenn sich deine Umfänge deutlich verändert haben, sodass die Kompression rutscht.
Viel Erfolg!
Hallo Christina,
vielen Dank für deinen tollen Beitrag. Bei dir sieht man deutlich, dass die KPE wirklich etwas bringt. Wobei ich bislang immer sehr skeptisch war.
Ich habe meine Diagnose vor genau 3 Jahren erhalten (Lipödem Stadium 2) und trage mittlerweile auch gerne meine Kompri, da sie mir eine Art Sicherheit gibt und ich somit auch ab und zu mal kurze Hosen und Röcke tragen kann.
Allerdings habe ich auch einige Fragen:
Wie lange warst du jeweils bei der KPE und wo?
Wird man für diese Zeit krank geschrieben (wie bei einer normalen Reha) oder muss man Urlaub nehmen?
Wie sieht es mit den Kosten aus und wie und wo kann ich so eine Therapie beantragen?
Ich danke dir vorab vielmals und wünsche dir weiterhin viel Erfolg bei deinen Vorhaben!
Viele Grüße, Tanja
Liebe Tanja,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich war einmal 2 Wochen in Freising und einmal 3 Wochen im Wittlinger Therapiezentrum in Österreich. Ich war dafür krankgeschrieben. Die Beantragung hier zu erklären, würde den Rahmen sprengen; deine Krankenversicherung wird dich aber beraten. Eine Reha kostet ca. 5000€, welche die Kasse aber übernimmt.
Sie ist meiner Meinung nach das A und O in der konservativen Therapie. Ich hoffe, du bekommst eine gute Klinik!
Hallo, ich mache viel Sport. Ausdauer und Krafttraining.
Kann ich auch mit der Kompression den Sport weiterführen?
Oder sollte ich während der Ausübung des Sports auch die Kompression tragen?
Unbedingt die Kompression beim Sport tragen!
Danke für den guten Beitrag! Ich trage meine Kompri (Strumpfhose und Bolero) genauso konsequent wie meine Brille! Beides erleichtert mir den Alltag ungemein. Am Anfang ist es ein bisschen Arbeit/Übung/Überwindung, aber wenn man dranbleibt wird das Tragen der Kompri relativ schnell normal. Niemand stellt das Tragen einer Brille in Frage, dabei ist sie auch bloß ein medizinisches Hilfsmittel und oft auch ein modischer Hingucker, das könnte die Kompri auch sein
Ich finde es schön, deine Verwandlung zu sehen Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich selbst erst einmal an die Kompressionsstrümpfe gewöhnen musste. Es ist wirklich schön zu sehen, was für einen Prozess du durchlebt hast. Deine Geschichte ist wirklich sehr inspirierend.
Vielen Dank, liebe Birgit.
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Lipödem. Ich hatte auch erst das Problem, dass ich nur eine Strumpfhose hatte. Ich bin aktuell in einer Therapie für Kompression und die hilft mir aktuell sehr enorm. Sehr inspirierende Geschichte von dir! https://www.kw-pflegedienst.de/unsere-leistungen
Seit meiner Lipödemdiagnose trage ich meine Kompressionsstrümpfe auch täglich, habe aber bereits seit mehreren Wochen auch mit den im Beitrag erwähnten Hitzewallungen und Ausschlägen zu kämpfen. Ich bin aber froh, zu hören, dass man auf längere Zeit auch gut mit der Kompressionsversorgung klarkommen kann, wenn die Umstände stimmen. Ich werde mir mal ein Sanitätshaus für Orthopädietechnik in meiner Nähe suchen, und gucken, ob man mich dort zusätzlich beraten kann.
Vielen Dank für den Beitrag. Ich habe auch leider das Lipödem und fange demnächst eine Therapie für die Kompression an. Der Hinweis, dass du deine flach gestrickten Kompressionsstrümpfe aus Überzeugung trägst, weil sie dir wirklich helfen hat mir Mut gemacht.
Ich finde die Einsichtigkeit und Disziplin bewundernswert.
Ich werde mir das aber sicher nicht antun. Strümpfe oder Strumpfhosen jeder Art sind ein Albtraum für mich. Ich werde mich und mein Stadium 2 Lipödem einer Liposuktion unterziehen. Dass die Krankenkassen das nicht bezahlen bzw erst, wenn Stadium 3 erreicht ist, finde ich skandalös. Aber es ist eben eine Frauenkrankheit. Wären Männer betroffen, sähe es ganz anders aus. Wir Frauen aber haben ja Zeit, jeden Tag Kompressionsstrumpfhosen zu waschen (darum brauchen wir auch erst einmal nur ein Paar, klar), und mehrmals die Woche zur Physiotherapeutischen Praxis zu laufen. Ich fahre lieber ein paar Jahre nicht in den Urlaub und entferne das problematische Fettgewebe kurativ, statt nur an den Symptomen herumzudoktern.