„Tiefseetauchen wäre für Sie das Beste“, lautete der abschließende Rat eines Arztes, den ich bat, mir ein neues Rezept für die manuelle Lymphdrainage auszustellen. Tiefseetauchen? Alles klar, der spinnt ja wohl, war mein erster Gedanke. Doch so völlig daneben lag der Mediziner mit seinem Ratschlag nicht.
Auch wenn die Empfehlung des Arztes an mich, berufstätige Mutter eines Kleinkindes, die weder am Meer noch am Starnberger See lebt, ziemlich weltfremd und unrealistisch erscheinen mag, beinhaltet sie doch einen bedenkenswerten Aspekt: Die beim Lipödem und Lymphödem notwendige Kompression ist nirgendwo so perfekt wie im Wasser. Das Wasser hat keine störenden Nähte, die zwicken oder reiben, keine Bandage, die herunterrutscht. Die Bewegung im Wasser hat darüber hinaus aber weitere Vorteile, die weder die Kompressionsversorgung noch die manuelle Lymphdrainage bieten kann: das Gewebe wird entstaut und zusätzlich werden Kondition und Muskeln trainiert. Kein Wunder, dass die meisten Kliniken und Reha-Zentren für Lipödem- und Lymphödem-Patienten Aquagymnastik fest im Programm haben.
„Tiefseetauchen“ war absurd, aber Wassergymnastik hatte ich früher als Studentin schon einmal eine ganze Weile trainiert. Es hatte mir – abhängig vom Stil des Trainers – ganz gut gefallen. Zum Glück gibt es an meinem Wohnort ein kleines Schwimmbad, das auch Aquagymnastik anbietet. Der innere Schweinehund wurde gar nicht erst nach seiner Meinung gefragt. Von nun an quetschte ich mich wieder regelmäßig in meinen uralten Badeanzug und trainierte an einem Abend in der Woche für günstige 2,60 € 45 Minuten Aquagymnastik. Wegen meiner damals noch recht fülligen Figur machte ich mir aber wenig Gedanken, denn ich gehe ja nicht ins Schwimmbad, um dort irgendjemandem zu gefallen, sondern um mir etwas Gutes zu tun und das Lipödem und das Lymphödem in Schach zu halten. Leider hörte die junge Trainerin schon nach einem Jahr auf und die Stelle blieb einige Monate vakant.
Die Vakanz dauerte so lange, dass ich mich in der Zwischenzeit nach einem anderen Schwimmbad mit Aqua-Kursen umsah. Ich hatte so großes Glück, denn es stellte sich heraus, dass im Nachbarort eine noch engagierte Trainerin sogar Aquajogging anbietet. Das Training dort kostet mich zwar 7,50 € ist aber so effektiv und wohltuend, dass es die längere Anfahrt und die knappen 5 € mehr wert ist. Die Trainerin Brigitta ist ein Geschenk. Sie ist so lustig, motivierend und mehr als kompetent. Mein wöchentliches Aquajogging empfinde ich als das Highlight der Woche. Durch die Musik ist das Training wie eine Party im Wasser.
Beim Aquajogging haben die Teilnehmer anders als beim Aquagymnastik keinen Bodenkontakt mehr. Das bedeutet, dass man ständig in Bewegung sein muss, um sich über Wasser zu halten. Man trägt zwar in der Regel einen Aquajogging-Gürtel, der einem Auftrieb gibt, trotzdem muss man eigentlich die ganze Zeit joggen oder strampeln. Damit das Durchhalten leichter fällt, sind die Übungen kurzweilig und mit motivierender Musik unterlegt. Beim Aquajogging wird aber nicht nur die Kondition trainiert, sondern zahlreiche Muskeln, insbesondere die Arm-, Bein- und Bauchmuskulatur profitieren von dem Training. Muskelkater habe ich erstaunlicherweise selten. Ich fühle mich aber am Ende des Trainings jedes Mal besser als vorher. Die Beine fühlen sich leichter an, entstaut ähnlich wie nach einer manuellen Lymphdrainage und für ein paar Stunden bin ich sogar schmerzfrei.
Ich kann nur jeder Lipödem- und Lymphödem-Betroffenen, die das Glück hat, ein Schwimmbad mit Aqua-Kursen in der Nähe zu haben, ans Herz legen, dieses Training auszuprobieren. Und falls der innere Schweinehund blöde Sprüche reißen sollte wie „Du und deine Beine sind zu dick für einen Badeanzug und das Schwimmbad“, dann gib ihm einen kräftigen Tritt! Wenn ich eine Frau mit Kurven ins Becken steigen sehe, freue ich mich, dass sie etwas für sich, ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit tut.
Ich hoffe, du hast jetzt Lust bekommen, einen Aqua-Kurs in deiner Nähe zu besuchen. Ich wünsche dir viel Spaß beim Training!
Deine Christina
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6 Responses
Liebe Christina,
zuerst mal finde ich es sehr toll wie engagiert du bist:) und tolle Beiträge schreibst ….
Ich finde auch dass Aqua Jogging eines der besten Lösungen ist für das Lipödem.
Ich gehe auch 2 mal wöchentlich zum Auqua Jogging . Die Beine sind schmerzfrei, und fühlen sich leicht an .
Liebe Grüße Jasmin @neverending_2015
Liebe Jasmin, ich danke dir! Zweimal die Woche ist großartig
Hallo Christina, zunächst mal herzlichen Dank für deinen Blog.Ich leide unter Lipödem Stadium III und habe auch für mich die Wassergymnastik in der Gruppe sowie Aquajogging wöchentlich entdeckt.Zusätzlich bekomme ich 1 Std.Lymphdrainage in der Woche und täglich behandle ich meine Beine 30 Minuten mit dem Lymphomaten.
Es geht mir seitdem immer besser.Die Schmerzen sind leichter zu ertragen.Danke nochmals für den ausführlichen Bericht.
Huhu Mädels,
vermisst Ihr das Wasser in Corona Zeiten auch so sehr wie ich. Tatsächlich ist das für mich wirklich das, was mir an erster Stelle fehlt. Beinchen sind auch schlechter geworden ohne meine 2x in der Woche ins Schwimmbad oder die Kurse zu gehen. 3 cm. Ich glaub, euch geht es ähnlich. Ich bin zwar jetzt auf Trampolin springen übergegangen, aber ich will mein Schwimmbad zurück 🙁
LG
Silke
Hallo Silke,
Ich kann dich gut verstehen. Mir fehlt die Wassergymnastik auch sehr. Ich fahre jetzt mehr Fahrrad, aber die Bewegung im Wasser ist schon klasse.
Liebe Grüße
Tiefseetauchen, da musste ich schon lachen. Mein Arzt meinte zu unseren Urlaubsplänen (Paddeln in Mecklenburg), ich solle besser hinterher schwimmen, statt mich in ein Boot zu setzen. Ganz so habe ich es nicht gemacht, aber ich habe es genossen während des Urlaubs täglich im See schwimmen zu gehen. Das fehlt mir jetzt im Alltag schon und ist kein Vergleich mit einem Schwimmbad…
Mein Fahrrad tut aber auch gute Dienste, Hauptsache in Bewegung bleiben