Hallo, ich bin Kristina (Tine ist mir allerdings lieber) und 35 Jahre alt. Noch lebe ich mit meiner kleinen Familie in Hamburg, bis unser Umzug in einer Woche ansteht.
Ich hab mir sagen lassen, dass man am besten mit der Diagnose anfängt, diese wurde vor ungefähr einem Jahr endgültig gestellt.
Ich war immer ein sehr schlankes Kind, so eins, dem man immer sagen muss, dass es mehr essen soll.
Nur meine Beine, die waren irgendwie anders.
Meine Mama hat immer liebevoll „Kohlstampfer“ zu ihnen gesagt, meine Freunde nannten sie sportlich muskulös, denn ich habe wirklich sehr viel Sport gemacht. Handball, Volleyball, Hallenhockey, es gab eigentlich nichts, was ich nicht ausprobiert hätte.
Ich machte meine Schule und meine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, meine Beine störten mich nicht, passten sie doch irgendwie zu mir. Und Schmerzen kannte ich nicht.
Nach meiner Ausbildung zog ich dann nach Hamburg und lernte DEN Mann kennen, hab ihn geheiratet und zwei wundervolle Söhne mit ihm bekommen.
In den Schwangerschaften nahm ich jeweils 30 Kilo zu, danach aber auch ziemlich schnell wieder ab. Tja, die Beine blieben aber unförmig und ließen sich auch nicht durch Sport beeindrucken. Machte mir aber nix aus. War ja noch im Rahmen.
Der erste Corona-Lockdown brachte dann alles durcheinander. Ich nahm ein paar Kilo zu, das Daheimsein hat meinem Körpergefühl nicht gut getan.
Und auf einmal taten die Beine weh. Immer. Ob im Stehen, Sitzen, Liegen, alles tat weh und war so unendlich schwer. Das Beschäftigen mit den Kindern strengte mich viel zu sehr an, Ausflüge hab ich lieber vermieden.
Als ich dann endlich wieder geregelt zur Arbeit gehen konnte – die Schmerzen wurden von Tag zu Tag schlimmer – war ich fix und fertig. Dann stürzte ich mit dem Fahrrad und zerdepperte mir das Sprunggelenk, was dem ganzen jetzt auch nicht so sehr zuträglich war. Meine beiden liebsten Arbeitskolleginnen meinten dann irgendwann zu mir: „Wir haben da was gelesen, vielleicht hast du ein Lipödem.“
Hä? Was ist das denn. Ohne die beiden wäre ich da nie im Leben drauf gekommen. Ich bin ihnen immer noch sehr dankbar. Ich machte mich schlau, war bei meiner Hausärztin, die mich zum Orthopäden überweisen wollte, was ich dankend ablehnte. Das Sprunggelenk war nicht das Problem, sondern die nun deutlich dicker werdenden Beine und die Schmerzen in den Waden und Oberschenkeln.
Das war Ende 2020.
…saß ich nun. In einem bodenlangen Kleid, extra weit.
Er war zunächst sehr freundlich und fragte, was so eine „hübsche junge Frau“ denn für Probleme hätte.
Ich zeigte ihm meine Beine, sehr unangenehm.
Seine Reaktion: „Iiiih, oh, da weiß ich auch nicht so recht…“
Erst seine Arzthelferin machte ihn auf die Erkrankung aufmerksam und so stellte er die Diagnose Lipödem. Ohne Stadium oder Ähnliches und überwies mich in die plastische Chirurgie. Ich muss Euch nicht sagen, dass das nix gebracht hat.
Ich fand dann auf eigene Faust einen Phlebologen, der dann endlich sagte, dass es ein Lipödem Stadium 2 ist, Typ 4. Die Arme hatten inzwischen doch sehr gelitten und waren definitiv auch betroffen.
Ich habe erstmal eine Rundstrickversorgung für die Beine bekommen, die scheußlich saß und schlimme blaue Flecken verursacht hat.
Meine Sanifee sagte gleich, dass das die falsche Versorgung sei, aber der Arzt ließ sich nicht überreden… „Es sieht doch noch gar nicht so schlimm aus“, meinte er.
Die rundgestrickte Strumpfhose trug ich brav jeden Tag, aber sie brachte gar nichts. Nur blaue Flecken und Striemen.
Ich suchte den Arzt wieder auf, er schrieb mir die richtige Erstversorgung auf und meinte, dass ich halt sehr wehleidig sei. Dankeschön.
Ich wählte schwarz, war ja alles schon peinlich genug und jetzt sollte ich noch „Oma- Zeug“ anziehen. Bei der Wechselversorgung wurde ich dann mutiger und habe Schwarz mit einem Hautton gebatikt probiert. Die Arme wollte er mir gar nicht versorgen, er meinte, dass das lebenseinschränkend wäre. Erst, als ich am Telefon seine Arzthelferin vollheulte passierte etwas. Sie sprach mit dem Arzt und ich bekam, was mir zustand. Zum Glück gibt es solche Engel. Die Armstrümpfe waren auch im Hautton, damit es nicht so auffällt. Dumme Idee, fällt trotzdem auf; schon allein, weil man sie ständig wieder zurechtzuppeln muss.
Ich bin mittlerweile umgestiegen auf Bolero. Der sitzt besser.
Irgendwie hat es dann plötzlich „Klick“ gemacht. Wenn es doch eh auffällt, dass man Kompression trägt, dann doch bitte richtig!
Meine Versorgung ist jetzt einmal blau und einmal orange. Fröhliche Farben, so wie ich halt auch bin. Ich schäme mich nur noch selten.
Jetzt, Mitte 2022, bin ich dann endlich erstmal so weit versorgt, dass ich sagen kann, dass mir auch wieder Ausflüge mit meinen Kindern Spaß machen können. Und das auch noch in quietsch-bunten Farben.
Was will man mehr?
In Zukunft würde ich euch gern berichten, wie mein Alltag mit zwei Kindern und einem Job in der Assistenz von Menschen mit Schwerstbehinderung funktioniert.
Ich mag nicht jammern, lieber zeigen, was alles geht, wenn auch mit Hindernissen und Stolpersteinen.
So viel dazu.
Liebe Grüße und bis bald,
Eure Tine
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4 Responses
Danke für deine Erfahrung! Ich bin 36 und habe auch zwei Kinder. Bin wohl noch im Stadium 1, aber die schweren Beine und Schmerzen sind trotzdem da. Kannst du bissl berichten wie es mit den Armstrümpfen ist…? ich hatte auch überlegt, aber meine Ärztin meinte wenn ich sie nicht trage im Alltag, ist es zu schade sie aufzuschreiben. Und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass ich sie momentan tragen würde täglich. Die Arme tun weh, aber nicht jeden Tag. Ich freu mich wieder von dir zu lesen 🙂 und lasse liebe Grüße da!
Hallo!
Tatsächlich trage ich den Bolero täglich.
Das war eine Überwindung, aber meine Arme danken es mir.
Da die Handschuhe dazu ja ausgezogen werden können(am besten so bestellen, dass sie über den Ärmeln der Armversorgung sind), schränkt es mich auch nicht mehr ein.
Ich zieh sie einfach für eine Weile aus und dann ist gut.
Muss man sich wirklich dran gewöhnen.
Zu schade zum Aufschreiben find ich es nicht. Was du da hast und nutzen kannst, wenn du es willst, ist doch irgendwie immer sinnvoll.
Danke für die liebe Rückmeldung!
Liebe Grüße!
Vielen Dank für deinen erfrischenden Bericht, indem ich mich teilweise wiederfinde (Rundstrick mit Druckstellen und ähnliche Erfahrungen mit den Ärzten). Ist eine Op für dich eine Option?
Hallo!
Ja, eine OP fänd ich an sich schon gut, allerdings mach ich mir da momentan keine großen Hoffnungen und auch so wenig Gedanken. Grundsätzlich komm ich mit meiner Versorgung ganz gut zu recht. Aber über kurz oder lang würde ich es schon gern los werden 😊
Liebe Grüße!