Während meiner Woche im KH habe ich – zum Einen, weil ich zwei Tage nichts zu Essen erhalten habe, zum Anderen, weil das Essen einfach dermaßen schlecht war, dass ich kaum was aß und auch meine Gefühle und Gedanken ganz woanders waren und ich nur aß, um zu Kräften zu kommen, nicht, weil ich Hunger hätte – 3 kg abgenommen.
Zuhause begann nun eine schwierige Zeit für mich. Ich lag meist nur im Bett, da unser Sofa zu niedrig war und ich nicht mehr hoch gekommen wäre. Anziehen und Duschen ging nur mit Hilfe. Bücken durfte ich mich gar nicht. Sitzen nur wenig. Also saß ich nur zum Essen am Tisch. Ich hatte drei Blasenentzündungen mit sichtbarem Blut am Toilettenpapier auf Grund des Katheters, der Nervenstörungen in meiner Blase und wahrscheinlich auch seelisch bedingt.
Mein Stuhlgang funktionierte, aber ich litt unter permanenter Verstopfung, da die Nerven im Enddarm noch gestört waren und die Toilettengänge waren oft qualvoll – da saß etwas, was ich nicht rausbekam und drücken musste wie ein Berserker. Ich aß viele Ballaststoffe, viel Gemüse und Körnerbrot, trank viel und half mir, wenn es gar nicht ging, mit Dulcolax aus. Andersrum gab es Tage, wo ich krassen Durchfall hatte, den ich kaum halten konnte auf den drei Metern vom Schlafzimmer zum Klo. Wie sollte ich so jemals wieder arbeiten gehen?
Aus Angst, dass ich eventuell einen Darmverschluss oder eine verengte Darmpassage haben könnte, war ich das erste Mal in meinem Leben beim Proktologen. Das war die bislang unangenehmste Untersuchung meines Lebens, bei der mein Freund dabei sein durfte. Es war alles in Ordnung. In ein paar Wochen sollte sich das alles wieder normalisieren.
Vier Ärzte bestätigten, dass sämtliche Taubheit weggehen würde, da ich nicht inkontinent gewesen war und keine Paresen hatte, ist meine Prognose zum Glück günstig. Es kann aber ein Jahr dauern.
Ich ging regelmäßig zur Physiotherapie. Eine Reha hatte ich nicht… da die Rentenversicherung sich damit vier Monate Zeit ließ und mir dann etwas ganz anderes bestätigte als beantragt wurde… und es lag wohl auch an mir, da ich einfach nicht vier Wochen ganz allein von Zuhause weg wollte. Mir ging es psychisch sehr schlecht und ich wollte einfach nicht aus meinem geliebten Umfeld weg. Wahrscheinlich hätte ich dann wohl meinen Arbeitsplatz endgültig verloren.
Raus konnte ich zu Beginn maximal eine halbe Stunde – mehr wollte mein Rücken noch nicht spazieren gehen. Keine Arbeit, keine Hobbies, nichts. Ich lag daheim und fühlte mich leer, als würde ich nur noch vor mich hinvegetieren. Dazu meine Darmprobleme und Muskelabbau der Waden, den ich durch Schmerzen beim in die Hocke gehen zum Beispiel, spürte.
Vier Wochen lang trug ich nur Jogginghosen, drinnen wie draußen. Nach 5-6 Wochen regelte sich mein Stuhlgang wieder, jeden Tag wurde es besser.
Vor dem sexuellen Aspekt meiner Partnerschaft hatte ich Angst, da mein Intimbereich nicht mehr taub, aber dennoch noch ziemlich dumpf anfühlte. Ich hatte Angst, dass ES nicht ging… ich nichts würde fühlen können. Nach guten drei Monaten probierte ich es erst das erste Mal aus… und war so erleichtert, dass es ging. Zuerst fühlte es sich schon etwas anders an. Mittlerweile, heute, wieder normal.
Am Poloch fühlte es sich an, als würde ein Tennisball dort hängen, seltsam taub-dumpf. Das Tennisballgefühl ist heute deutlich besser geworden, nahezu alles ist wieder da und fast so wie früher. Nur noch ein minikleiner Tennisball ist heute übrig.
Ich sollte glücklich sein – sah mich selbst aber als krank, als behindert, als hilfsbedürftig an. Ich war nicht glücklich.
Das einzig Positive – von Dezember 2021, als ich mit Low Carb anfing, bis heute – nahm ich insgesamt 14 kg ab. Meine Kompression trug ich vier Wochen lang gar nicht. In der 5. Woche post-OP zog ich sie wieder an.
Bandscheibenprobleme und Kompression scheinen sich nicht zu mögen – ich bekam direkt wieder Rückenschmerzen. Ich versuchte es fast einen Monat lang, dachte, der Rücken gewöhnt sich wieder dran. Nach nur 15 Minuten tragen setzten konstant Rückenschmerzen ein.
Ich recherchierte viel und fand heraus, dass Lipödem und Bandscheibenprobleme oft zusammenhängen, bzw. viele Lipödemerinnen auch Bandscheibenvorfälle haben. Auf Grund des Lipödems haben wir schwaches Bindegewebe, was einen Bandscheibenvorfall begünstigt. Für uns ist daher viel Training und Sport besonders wichtig.
Anfang Mai startete meine Wiedereingliederung in der Arbeit. Ich arbeitete ohne Kompression, während ich auf meinen Termin bei meiner Phlebologin wartete. Ich trug das erste Mal seit über einem Jahr (seit meiner ersten Kompri) wieder Jeans. Schmerzen hatte ich tatsächlich keine bis kaum. Zur MLD ging ich ab der 2. Woche nach meiner OP wieder ganz normal einmal die Woche.
Pünktlich Anfang Mai setzten wieder Rückenschmerzen ein, lange nicht so stark wie im Februar, ohne Taubheitsgefühle, aber ausreichend, um mich in Sorge zu versetzen. In Absprache mit meinem Orthopäden ging ich erneut ins MRT. Siehe da… Bandscheibenprotrusion (Vorwölbung) der L5/S1, die wahrscheinlich auf Grund der OP entstanden ist, sowie Narbengewebe an der Einschnittsstelle. Da ich allerdings wenig Probleme hatte (außer ein kurzes „Aua“ beim Niesen/Husten) und nur wenig Schmerzen, wurde ich nicht krankgeschrieben, die Wiedereingliederung lief weiter. Zum Glück schienen sowohl mein Orthopäde als auch mein Neurologe nicht beunruhigt zu sein und sahen den Befund sehr locker. Also weiter Physiotherapie und daheim selber Übungen machen.
Schließlich hatte ich auch den Termin bei meiner Phlebologin. Ich hatte, obwohl ich keine Kompri trug, 6 cm Umfang verloren an den Oberschenkeln, sowie 14 kg Gewicht. Heute überlege ich immer öfter, ob es auch Lipödem-Betroffene gibt, die im Grunde gar keine Kompression benötigen würden? Ich hatte ohne Kompression keine bis nur sehr wenig Schmerzen und Umfang verloren. Letzten Endes kann das aber auch am Gewichtsverlust liegen.
Meine Ärztin war begeistert. Ich berichtete ihr von meiner Geschichte und von den Rückenschmerzen mit der Kompri, trotz nur KKL1 im Leibteil. Sie verschrieb mir auf Grund meines Umfangsverlusts sowie aus orthopädischen Gründen OS-Strümpfe. Das war meine Alternative zur Strumpfhose. Diese sind nun beantragt in Purple Smash von Juzo und ich bin sehr gespannt. Sollte damit alles gut sein, werden die nächsten dann Orange Pop von Juzo.
Mittlerweile arbeite ich wieder voll, immer noch ohne Kompri, trage an warmen Tagen auch Kleider. Dennoch freue ich mich riesig auf die fertigen Strümpfe *_*
Mehr auf den Rücken im Alltag zu achten – bei meinem Bürojob einmal die Stunde „Aufsteh- und Gehpausen“ zu machen und in der Pause gehe ich nach dem Essen ebenso raus, egal welches Wetter. Ich gehe spazieren, mache dabei Knee Lifts und atme frische Luft 😉 Einen orthopädischen Stuhl für die Arbeit habe ich bei der Rentenversicherung beantragt. Ich mache mehrmals täglich meine Rückenübungen zuhause. Immer vor und nach der Arbeit. Ich gehe weiterhin 1-2 x die Woche zur Physiotherapie.
Und natürlich mache ich Sport und Rückentraining im Fitness Center. Ich ernähre mich weiterhin möglichst gesund und abwechslungsreich, achte auf Carbs und Kalorien.
In Bezug auf das Lipödem hat es meine Einstellung, ohne OP zu leben, noch mehr gefestigt. Ich habe jetzt selbst gesehen, wie lange der Körper braucht, sich von einem Eingriff zu erholen… eine OP kommt für mich nur als letzte Lösung in Betracht. Und da ich momentan selbst ohne Kompri schmerzfrei bin – wozu? Ich habe gesehen, dass es so viel Schlimmeres gibt als das Lipödem, was ich habe. Sicher gibt es Damen, die weitaus mehr leiden, das ist hier nur meine Meinung und Einstellung und auch nur der Momentan-Zustand – aber mich schränkt mein Lipödem aktuell nicht ein.
Ich werde weiter recherchieren und die Zusammenhänge Lipödem-Bindegewebe-Bandscheiben(vorfall) zu ergründen versuchen und Ergebnisse auch hier teilen.
In Bezug auf meinen Körper, so liebe ich ihn nur noch mehr und bin sehr dankbar dafür, was er für mich Unglaubliches geleistet hat und immer noch täglich leistet. Er heilt von Tag zu Tag immer besser. Ich liebe und nehme ihn ganz so, wie er ist. Schwabbel, Dellen, meine Narbe überm Po, Cellulite, all das ist mir egal – egaler als nie zuvor 😉 Mein Körper ist mein persönliches Wunder. Ich unterstütze ihn nun so gut ich kann mit Bewegung, Sport und Ernährung und achte auf Signale. Ich habe gelernt, geduldiger zu sein. Es kommt alles, wie es eben kommt und es wird alles werden – manches braucht eben seine Zeit. Und wenn es noch nicht gut ist – dann ist es auch noch nicht das Ende.
Meine Beziehung zu meinem Freund wurde gestärkt, wir wurden zusammengeschweißt wie nie und halten noch mehr als je zuvor zusammen.
Charakterlich bin ich weiser und stärker geworden. Im Grunde genommen hat mein Rücken mir also sogar einen Gefallen getan 😉
Außerdem musste ich feststellen, dass Rückenschmerzen tatsächlich auch mit von der Kompression entstehen/verstärkt werden können und es anscheinend bei Menschen mit Bandscheibenproblemen auch zu Problemen mit der Kompression kommen kann und nicht jede von uns Strumpfhosen als Versorgung tragen kann.
Aber seelisch bin ich über das Ganze noch nicht hinweg. Glaubt mir, es fällt mir schwer, euch davon zu erzählen, aber es ist und war mir ein Herzensanliegen.
Weiter geht es im dritten und letzten Teil meines Erfahrungsberichts – bleibt dran!
Alles Liebe,
eure Sarah
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6 Responses
Die Beantragung einer normalen Reha war per se falsch. Eine Anschluss-Reha ist richtige nach solch einer Op. Diese beginnt spätestens zwei Wochen nach Krankenhausentlassung und wird von der Klinik eingeleitet. Man hätte dich darüber informieren müssen!!!!
Tut mir leid, dass du solche Probleme zu Hause hattest.
Mir sagte man im KH, dass die Wirbelsäule erst nach 3 Monaten wieder belastbar ist und ich deshalb erst nach frühestens drei Monaten eine Reha anfangen soll. Letzten Endes ist alles ganz anders gekommen. Naja. Ich hoffe nicht, dass sowas nochmal passiert. Wenigstens wäre ich jetzt aber besser informiert 😉
Ich habe bis jetzt 20 kg abgenommen, trage seit Jahren nur Kompressionskniestrümpfe, auch wegen meiner Venenschwäche und komme sehr gut damit zurecht. Viele Lipödembetroffenen haben mit dem Bewegungsapparat zu tun, allein schon weil durch das Lipfett alles sich verlagert. Siehe Kniefehlstellungen oder eben Lendenbereich.
Das ist auch gut zu wissen und klingt logisch, danke:))
Ich selber habe halt auch ein Hohlkreuz, was auch vieles ausmacht.
Ich mag mittlerweile die OS Strümpfe gar nicht mehr gern, weil unter dem Noppenrand die Haut schnell wund wird und das nicht zu vertragen scheint. Bin einfach ein Strumpfhosenfan 😉 mittlerweile geht es mir der Hose wieder ganz gut.
Liebe Sarah,
ich wünsche dir ganz viel Kraft und Energie für die Genesung. Ich kann ganz gut nachfühlen, was du durchgemacht hast, da ich ziemlich genau ein Jahr vorher auch mit Cauda Symptomatik notoperiert wurde. Allerdings erst nachdem das erste KH mich nach 5 Tagen entlassen hat und ich mich selbst in die Wirbelsäulenklinik eingewiesen habe. Ich lag nach 1h unterm Messer. Die Taubheit ist bei mir leider geblieben, aber die Lähmung im Fuß zum Glück nicht.
Kompression konnte ich 8 Monate nicht mehr tragen, da ich nach der OP noch eine Entzündung im Rücken hatte.
Danke für deinen Beitrag und
alles Gute weiterhin
Vielen Dank für deine Rückmeldung. Noch jemanden mit Cauda Symptomatik zu finden, hätte ich nicht erwartet, danke deshalb besonders für deine Rückmeldung:) meine taubheit habe ich aktuell nur noch in den hinteren Oberschenkeln. Alles andere ist soweit wieder gut. Sollte es so bleiben wie es jetzt ist, ist es für mich in Ordnung. Mein Körper hat dafür so viel geschafft. Mit etwas tauben stellen kann ich leben. Ich kannte Cauda vorher gar nicht und für mich war das sehr beängstigend. Es tut gut, etwas mehr darüber zu wissen finde ich.