Hallo liebe Lipödemkämpferinnen- & gewinnerinnen,
ich bin Ivi, 40 Jahre alt und die Neue hier in der Frauensache-Bloggerrunde.
Meine Diagnose habe ich 2016 erhalten, ausgebrochen ist die Krankheit rückwirkend betrachtet in 2006 nach Absetzen der Pille.
„Lipödemkämpferin“ – ein Wort mit dem ich mich lange beschäftigt habe. Ja es ist oft ein Kampf mit diesem Lipödem, mit der Kompression, den Schmerzen, einfach mit allem… aber wem erzähle ich das. Doch sehe und empfinde ich auch Positives, viel besser gefällt mir daher die Lipödemgewinnerin. Schon immer hatte ich mir gewünscht, hübsche Röcke und Kleider tragen zu können, aber habe mich nie getraut wegen meiner dicken Beine und vor allem den Waden – von Stiefeln fang ich gar nicht erst an zu reden… Durch die Diagnose und somit die erste Kompressionsversorgung kam recht schnell die Erkenntnis, dass Kompression + Hose keine gute Kombination für mich ist. Also (sorry) scheiß‘ drauf, was andere sagen: Ich kaufe mir jetzt Röcke und Kleider. Und somit trage ich seit fast 6 Jahren, bis auf wenige Ausnahmen, nur noch diese und fühle mich sooo gut. Ein Gewinn für mein Selbstbewusstsein. Ein weiterer Gewinn war und ist die Selbsthilfe.
Helfe ich nur mir selbst? Ja, auch das ist eine Form von Selbsthilfe. Wenn wir zum Beispiel Sorgen oder Ängste haben und uns Hilfe in der Familie oder bei Freunden suchen, helfen wir in erster Linie uns selbst. Eine weitere Form ist die gemeinschaftliche Selbsthilfe in Form von Selbsthilfegruppen.
Hier geht es um gegenseitige Hilfe und Austausch über ein gemeinsames (meist chronisches) Krankheitsbild, um medizinische und oft auch politische Aspekte, um Aufklärungsarbeit und sich stark machen für eine bedarfsgerechte Versorgung und auch für Betroffene, die es selbst nicht können.
Wir sind alle keine Ärzte, doch die sog. Laienkompetenz, welche sich mit der Zeit ansammelt, macht uns zu wahren Experten.
Sehr oft herrscht Verunsicherung im Krankheitsbild. Vor allem dann, wenn die Diagnose ganz frisch ist. Der Arzt stellt die Diagnose, drückt Dir einen Stapel Rezepte und vielleicht Broschüren in die Hand und dann stehst Du da. Und was nun? Wo finde ich das richtige Sanitätshaus? Die richtige Physiotherapie für Lymphdrainage? Welche Kompression wähle ich? Reha? Liposuktion? Was tun gegen akute Schmerzen? Ernährung? Recherchen im Internet verunsichern oft mehr als sie helfen. In einer Selbsthilfegruppe fühlt man sich unter Gleichgesinnten verstanden, profitiert von den Tipps und Erfahrungen anderer und bekommt Anlaufstellen für eine gute Versorgung. Selbsthilfe bedeutet Gemeinschaft, Du bist nicht mehr allein. Das Gefühl um Hilfe zu bitten, Hilfe zu bekommen und auch Hilfe weitergeben zu können ist sehr bereichernd.
Im Sommer 2019 war ich auf Reha. Bis dato lief mein Lipödem irgendwie so nebenher. In der Reha musste ich jedoch schnell feststellen, dass der Austausch hierzu für viele enorm wertvoll ist, wie unterschiedlich Betroffene damit umgehen und wie viele Herausforderungen im Alltag und gleichzeitig wie wenig Hilfe es oftmals gibt. Ende 2019 entschloss ich mich nach einer Lipödem-Veranstaltung, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Meine vorherige Annahme, dass es sich bei solch einer Gruppe um einen Händchen haltenden Stuhlkreis handelt, wurde nach einigen Recherchen schnell beiseitegelegt. Mein Wunsch, betroffenen Frauen eine Plattform und eine Stimme zu geben, einen Raum für Freude und manchmal auch für Tränen zu schaffen, nahm Form an. Ich nahm Kontakt mit unserer lokalen Selbsthilfe-Kontaktstelle auf, um mich zu informieren, was nötig ist, worauf ich achten muss und auch, wie ich Gelder für die Gruppe beantragen kann. Anfangs dachte ich, wenn ich auch nur ein paar Frauen helfen und ein bisschen mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit schaffen kann, dann hat es sich schon gelohnt. Und nun, über 2 Jahre später, ist dieser damalige Schritt einer der größten Gewinne für mich. Und das nicht nur in Bezug auf die vielen wunderbaren Frauen, die ich kennenlernen durfte, die vielen fachlichen Kontakte und Gespräche die stattgefunden haben, die Beiträge in den Medien, wodurch Lipödem immer mehr an Aufmerksamkeit gewinnt, sondern auch wegen der Veränderungen und Möglichkeiten, welche sich für mich persönlich hierdurch ergeben haben. Zum Beispiel diesen Blog für Euch zu schreiben.
Trau Dich! Selbsthilfe, egal in welcher Form, wird Dich weiterbringen auf Deinem Weg.
Alles Liebe, bis bald,
Eure Ivi
P.S. Es ist viel einfacher „mit“ der Krankheit zu leben statt „gegen“ sie.
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5 Responses
Danke, dass du uns deine Geschichte erzählst. Auch wenn ich schon ein wenig davon kenne, ist jede Schilderung von dir wieder eine neue Sichtweise…
Hi Ivi!
Glückwunsch zum Blog 🍀🍀!!
Wahnsinn was du Alles auf die Beine stellst!!!
LG Steffi
Danke für diesen tollen Beitrag. Besonders deine Aussage unter P.S. trifft den Nagel auf dem Kopf. Bis ich selbst soweit war es ein langer und anstrengender Weg. Viele Freunde entpuppten sich als faule Eier und nachdem ich diese entsorgt hatte ging es bergauf. In diesem Sinne gib uns Lipis weiter deine Stimme.
Danke für deinen tollen Beitrag. Es ermutigt mich, mich auch einer Selbsthilfegruppe anzuschließen.
Sei stolz auf das was Du bewirkt hast und noch bewirken wirst !!