Hallo liebe Sonnenscheinchen,
ich bin Sarah, 33 Jahre jung und habe Lipödem – wie wahrscheinlich die meisten anderen Lesenden hier auch.
Seit meiner ersten festen Beziehung mit 17 nahm ich zur Verhütung die Antibabypille – damals recht praktisch, wie ich als sehr junge Frau fand. Man musste nur an die pünktliche Einnahme denken und war safe, ganz ohne Kondome oder irgendetwas anderes.
Heute denke ich über die Einnahme der Pille ganz anders als damals.
Wie ich das Absetzen der Pille nach 16 Jahren Einnahme erlebt habe, generell und natürlich in Bezug auf das Lipödem, lest Ihr im Beitrag.
Meinen ersten festen Freund hatte ich erst mit 17 Jahren, dafür war ich damals extrem verliebt. Als wir zusammen kamen und auch zusammen blieben, ließ ich mir auf Rat meiner Mutter hin beim Frauenarzt die Pille verschreiben. Zu Anfang die Yasminelle, im Laufe der Zeit stieg ich auf die Levomin20 um, welche ich bis ich fast 33 war, genommen hatte.
Mit 18/19 begann ich stark an Gewicht zuzunehmen, von einer knackigen Größe 36 auf eine 42/44. Zu diesem Zeitpunkt traten auch zum ersten Mal die Schmerzen in den Beinen auf, welche ich lange abtat als „vom Rücken“, „viel auf den Beinen gewesen“ oder ähnliches. Heute vermute ich, dass nach längerer Einnahme der Pille das Lipödem ausgebrochen war, welches mir vermutlich durch meine Oma (sie klagt heute immer über die schweren Beine „voller Wasser“ und die dicken Füße am Abend) sowie meiner Mutter vererbt wurde.
Hätte ich nie die Pille genommen, wer weiß, wie es mir heute gegangen wäre. Vielleicht wäre das Lipödem nie ausgebrochen – man weiß es nicht.
Jedenfalls fand ich die Pille anfangs toll, man konnte so als junge Erwachsene einfach frei das Sexleben auskosten, ohne großartig an etwas denken zu müssen. So war ich jahrelang auf der sicheren Seite.
Nach nur 3 Jahren ging meine Beziehung in die Brüche, ich hatte meinen ersten großen Liebeskummer. Die Pille nahm ich dennoch weiter. Als immer noch sehr junge Frau lernte ich meinen jetzigen Partner kennen, mit dem ich mittlerweile im 13. Jahr zusammen bin.
Während meiner Ausbildungszeit wurden mir Depressionen diagnostiziert, die Alltagsbewältigung fällt mir auch heute noch oft nicht leicht.
Mit 31 Jahren dann, nachdem ich mit meiner mittlerweile starken Cellulite, den Beinschmerzen und komischen Fettschwabbeln rund um meine Knie und einem schaurigen Verdacht auf die Erkrankung dann bei einem Phlebologen war, wurde mir das Lipödem Stadium 2 diagnostiziert.
Die Pille nahm ich immer noch. Mittlerweile war ich sie allerdings bereits sehr leid. Es kam auch vor, dass ich sie mal vergaß. So ganz konnte ich mich allerdings aus Bequemlichkeit nicht von der Pille losreißen.
Ich kann einfach Sex haben, wann ich will und meine Periode ist komplett plan- und auch mal aussetzbar, wie im Urlaub zum Beispiel.
Dennoch wollte ich sie irgendwann nicht mehr. Ich wollte aber auch keine Kinder (ja, ich finde, das darf frau offen sagen, mein Körper, meine Entscheidung, mein Leben).
Meine Lymphfee, zu welcher ich zur manuellen Lymphdrainage gehe und mit welcher ich mich sehr gut verstehe, ermunterte mich schließlich, die Pille abzusetzen und keine Hormone mehr zu nehmen.
Natürlich kamen auch Gedanken auf wie „Was, wenn sich das Lipödem verschlechtert? Wenn ich mehr Schmerzen bekomme? Wenn die Beine hässlicher und unförmiger werden, als sie schon sind?“
Letzten Endes aber überwog mein Wunsch nach einem hormonfreien Leben und besiegte die Angst und Bequemlichkeit – im Dezember 2022 setzte ich die Pille ab. Endgültig.
Für meinen Partner war das absolut in Ordnung, er konnte mich verstehen. Ebenso meine neue Frauenärztin, nachdem ich mich bei meiner bisherigen nicht mehr wohl fühlte, suchte ich mir eine Neue. Im Erstgespräch redeten wir sehr lange, sie hörte aufmerksam zu, kannte das Lipödem auch und machte viele Notizen, bevor sie schließlich sagte, dass sie mich sehr gut verstand und wenn die Verhütung mit Kondomen für mich okay ist und ich glücklich bin – dann gibt es keinen Grund, der gegen das Absetzen spricht.
Es ist Sommer 2023🙂
Was hat sich getan? Nun… einiges, wie ich finde.
Meine Libido hat regelrecht BOOOOM gemacht 😄 So wie jetzt habe ich meine Sexualität noch nicht erlebt. Ich habe oft und viel Lust auf Sex. Meine Orgasmen sind anders, intensiver. Ich erlebe einen normalen Zyklus, ich erlebe meinen Eisprung, habe wieder Ausfluss und erlebe richtige PMS. All das empfinde ich nicht als schlimm. Ich bin neugierig auf meinen Körper und freue mich sogar, nun mit fast Mitte 30, das erste Mal zu erleben, wie sich frau ohne Hormone fühlt. Ich verhüte mit Kondomen, denke aber über das Einsetzen der Kupferspirale nach. Hat da jemand diesbezüglich Erfahrungen?
Und das Lipödem?
Ja, ab und an tun meine Beine tatsächlich mehr weh als noch mit der Pille. Gerade am Ende eines langen Tages. Optisch gab es allerdings keine Veränderung. Mit Kompression und MLD empfinde ich das Lipödem trotzdem nicht als einschränkend und nehme die kleine Veränderung in Kauf.
Ich fühle mich viel freier, da ich erst jetzt merke, wie schön es ist, nicht an die Einnahme denken zu müssen und nicht plötzlich wieder ein siedend heißes „Shit, vergessen!“ zu erleben.
Ab und zu habe ich mehr Pickel als sonst, aber was soll’s. Ich möchte nie wieder mit Hormonen verhüten.
Meine Depression hat sich schlagartig gebessert, ich fühle mich fitter, ausgeruhter, leistungsfähiger, bin begeisterter bei der Sache, wenn ich gerade etwas mache, lache noch mehr und fühle mich „leichter“. Natürlich gibt es auch immer noch schwarze, depressive Tage. Aber insgesamt geht es mir deutlich besser.
All das erlebe ich jetzt das erste Mal in meinem Leben. Ich habe 20 kg abgenommen, von einer 42 auf eine 38. Ich fühle mich wesentlich gesünder, fitter und insgesamt glücklicher.
Mein Fazit: Wenn ihr über das Absetzen der Pille nachdenkt…. macht es. Habt keine Angst. Ich persönlich empfinde mein Leben so viel schöner und besser ohne Hormone. In meinen Augen ist die Pille das reinste Teufelszeug – und es hat mich 16 Jahre und eine Lipödemerkrankung gekostet, dies zu erkennen.
Dies ist nur rein mein persönliches Empfinden und meine Sicht der Dinge.
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7 Responses
Bei mir hats leider erst eine zweifach tiefe Beinvenenthrombose ( bin51) soweit gebracht, die Pille sofort abzusetzen. Keinen Tag bereut seid Januar, empfinde vieles ähnlich wie von Dir beschrieben.
Jahrzehntelang das Teufelszeug geschluckt ohne zu hinterfragen, trotz Ausbildung im pflegerischen Bereich. Weil es ja so easy, bequem war.
Und erst durch Kompressionsversorgung die Anerkennung, dass ich zudem ein Lipödem habe. Immer nur belächelt seid Jugend, als Speck, mach Sport, beweg Dich mehr zugelextet worden.
Danke für Deine offenen Worte im Blog!
💜
Herzlichen Glückwunsch zu der Entscheidung 🙂 🙂 Ich würde die Pille auch nie mehr nehmen wollen. Ich finde es wichtig, darüber zu berichten :)) Und unbedingt offen und ehrlich.
Hallo,
ich habe Endometriose und soll mit 50J. die Minipille (Desogestrel Aristo) deswegen nehmen😔. Sie ist östrogenfrei. Ich würde sie sehr gerne absetzen, habe aber Angst wieder wegen der Endom.-zysten, die kommen könnten, unters Messer zu landen… Ich habe Lipödem Stadium 2.
Jede hormonelle Veränderung sollte man ja vermeiden, sagen manche Ärzte. Da ich die Pille durchnehme, kann mein Frauenarzt mir auch nicht sagen, ob ich mich schon in den Wechseljahren befinde…
Was soll ich bloß machen. Ich bin total verzweifelt! 😔😔😔😔😔😔
Hallo Carmen,
da kann sicher ein Frauenarzt besser beraten. Suche dir zwei, drei Frauenärzte und hole dir verschiedene Meinungen ein, befrage auch deinen Phlebologen. Ansonsten höre auf dein Herz. Das habe ich auch gemacht, ich habe die Pille abgesetzt ohne ärztlichen Rat (das entsprechende Gespräch hatte ich erst hinterher). Ob sich dein Lipödem verändert, kann dir leider niemand beantworten. Wenn du sie gern absetzen möchtest und die Frauenärzte nichts dagegen sagen- mach es.
Liebe Grüße
Sarah
Hallo Sarah,
danke für Deinen Betrag, nach Pille und Spirale habe ich keinen Unterschied beim Lipödem bemerkt. Verhütung kann doch auch natürlicher erfolgen.
Mit Spirale hatte ich mehr Probleme, damals (Schmerzen und Schmierblutungen), bin jetzt 64.
Hormonelle Veränderungen begleiten uns ein Leben lang.
Nach meiner OP, Entfernung der Gebärmutter hatte ich auch keine Veränderung bemerkt.
In der Selbsthilfe habe ich Frauen kennengelernt die mit über 60 und sogar 70 Jahren die erste Diagnose Lipödem erhielten.
Hallo Brigitte,
das ist wahr, hormonelle Veränderungen werden wir immer erleben, sind unumgänglich. Die Spirale kommt für mich nun nicht mehr in Betracht nach einem Beratungsgespräch bei meiner Frauenärztin. Vielen Dank, dass du mir von deinen Erfahrungen berichtest 😀
Auch ich bekam nach der Einnahme der Pille LYNDIOL dicke Beine und schwabbeliges Gewebe an den Oberschenkeln.Das war 1967. Kein Arzt sah einen Zusammenhang, später verhütete ich mit der sog MINIPILLE. Bis zum 33. Lebensjahr. Nach 2 Schwangerschaften und der Menopause wurde ich an den bestimmten Stellen immer dicker.
Aber erst jetzt mit 71 Jahren bekam ich die Diagnose lipidödem 2. Jetzt wusste ich, warum jahrzehntelanges diäten fasten und Kalorienzählen vergeblich waren. Sehr frustrierend! Die pharmaindustrie hat unentdeckt viel Unglück gebracht…. allerdings auch viel gutes. Ich versuche jetzt trotz meines Alters und Arthrose und kurzatmigkeit ein wenig gegenzusteuern mit Fitness etc.
Bin manchmal verzagt und bewundere die jungen frauen, die hier voller Energie und positiver Einstellung ihre Berichte schreiben.