Liebe Leserinnen und Leser,
wer dem „Lipiblog“ schon länger folgt weiß, dass ich bereits seit 2017 Flachstrickkompression aufgrund meines Lipödems und Lymphödems trage.
Viele Betroffene erhalten Rückhalt bei der konservativen Therapie durch ihren Freundes- und Familienkreis oder auch ihren Partner/ihrer Partnerin.
Doch selbst in der Kompression „zu stecken“ und kurzzeitig ein kleines bisschen vom Krankheitsmanagement-Alltag mit Kompression am eigenen Leib zu erfahren, ist nochmal eine ganz andere Erfahrung.
Mein Mann Anian hat 100kg Gewicht verloren. 2020 wurde eine Bauchdeckenrekonstruktion und 2021 die Rekonstruktion im Intimbereich und an den Oberschenkeln durchgeführt. Im Rahmen der Nachbehandlung trug er jeweils 6 Wochen lang 24h spezielle Flachstrickkompressionsleggins und weitere 6 Wochen lang nur tagsüber die Kompression.
Ich habe Eure Fragen gesammelt und meinen Mann interviewt:
Frage:
„Du kanntest Kompressionsversorgungen ja schon von Marilena. Hast du dir das Anziehen und Tragen so vorgestellt?“
Anian:
„Ich verstehe das ganze System nun besser. Ich verstehe, warum man teilweise beim Anziehen außer Atem kommt und warum eine Falte in der Kniekehle weh tut. Allerdings hätte ich mir das Tragen etwas „leichter“ vorgestellt.“
Frage:
„Hat Deine Frau Dich bezüglich der Kompression beraten?
Anian:
„Marilena hat mich beraten ja. Ich bin daher auch in ihr Sanitätshaus gegangen und wurde von ihrer Sanitätshausfachkraft bedient. Viele Anregungen von Marilena haben wir dabei natürlich umgesetzt.“
Frage:
„Denkst Du, dass Du einen Vorteil hast, weil Du durch Marilena schon mit Kompression in Berührung gekommen bist?“
Anian:
„Ja den habe ich definitiv. Zum einen komme ich so gleich an die richtigen Personen im Sanitätshaus, die mir kompetent helfen und zum anderen habe ich durch Marilena Hilfe beim Anziehen, oder auch beim „Falten ausbügeln“, wenn die Hose mal nicht richtig sitzt.“
Frage:
„Wie war es für Dich im Sanitätshaus, ausgemessen zu werden?“
Anian:
„Nun ja es war erst einmal sehr komisch, da bei mir Hautgewebe am Bauch und an den Oberschenkeln entfernt wurde. In der Summe fast 10 Kg. Das ist für das Personal auch nicht ganz einfach gewesen, die richtige Passform zu finden. Bei der Bein OP haben wir die Oberschenkel daher in Klarsichtfolie gewickelt, um die zukünftige Form zu simulieren. Wir mussten dabei viel lachen – und das hat die ganze Prozedur mehr als erträglich gemacht. Nüchtern betrachtet: Es ist notwendig, damit das Produkt passt. Also ist es kein Thema.“
Frage:
„Hast Du eine Versorgung zum Wechseln bekommen?“
Anian:
„Meine Ärztin hat mir jeweils eine Erst- und eine Zweitversorgung aus hygienischen Gründen verordnet. Bei beiden Eingriffen wurden die Hosen ohne Probleme genehmigt.“
Frage:
„Was ist Dir an Deiner Kompressionsversorgung wichtig?“
Anian:
„Ich bin kein Freund von bunten Farben. Auch sollte die Kompression relativ einfach zu reinigen sein. Da mir die zweite Versorgung direkt im OP angezogen wurde und daher auch der Kontakt zu Desinfektionsmitteln wie Jod bestand, sollte sie keine bleibenden Flecken davon behalten. Die richtige Passform und auch die Haltbarkeit des Materials sind für mich sehr wichtig. All das ist mit der Hose gegeben.“
Frage:
„Was würdest Du an Deiner Kompressionsversorgung gerne ändern?“
Anian:
„Aktuell eigentlich nichts. Sie hilft mir, die Schmerzen und Schwellungen zu lindern. Das tut sie gut. Also darf sie so bleiben, wie sie ist“
Frage:
„Spürst Du auch einen Mehrwert oder trägst Du sie nur weil Du sollst?“
Anian:
„Bei meiner ersten Versorgung und nun auch bei meiner zweiten Versorgung haben wir vorab immer nur eine Hose bestellt. Diese habe ich dann jeweils bereits im Krankenhaus angezogen. Die Zweite wurde nach der Entlassung bestellt, nachdem das Sanitätshaus den Sitz der Hosen überprüft hat. Ich habe jedes Mal den Zeitpunkt herbeigesehnt, wenn der Anruf kam: „Die Hose ist fertig“. Die Hose nimmt mir einen Großteil der Schmerzen, hilft bei der Narbenreduktion und lässt mich aktuell stabil laufen. Daher: Definitiv ein großer Mehrwert!“
Frage:
„Ist das jetzt beim 2. Mal anders für Dich als beim 1. Mal?“
Anian:
„Die zweite Versorgung sitzt deutlich besser und mit der Juzo ScarComfort Fine wurde diesmal speziell eine Hose für meine Narben ausgewählt. Das Anziehen mit beiden operierten Oberschenkeln ist aber deutlich anstrengender als bei der Bauchstraffung.“
Frage:
„Ist es merkwürdig für Dich als Mann eine Strumpfhose zu tragen?“
Anian:
„Ehrlich gesagt ist es für mich nicht komisch, da sie ein notwendiges Hilfsmittel ist, welches mir deutlich die Beschwerden nimmt und mir aktuell sehr hilft, durch den Tag zu kommen. Aufgrund meiner Vorgeschichte musste ich vor vielen Leuten „die Hose“ runterlassen, sodass ich mir mittlerweile nichts mehr denke.“
Frage:
„Sprichst Du mit Deinen Freunden offen über die Kompression? Oder versteckst Du sie eher?
Anian:
„Meine engen Freunde kennen alle die Kompressionshosen von Marilena. Daher sage ich ihnen auch mit einem Schmunzeln, dass wir jetzt im „Partnerlook“ anzutreffen sind. Bei anderweitigen Terminen ziehe ich eine Jeans drüber und gehe nicht großartig damit hausieren.“
Frage:
„Was machst Du mit der Versorgung, wenn alles verheilt ist und Du sie nicht mehr tragen musst?“
Anian:
„Ich werde sie im Schrank einmotten. Ich habe aus all meinen Lebensphasen noch „Trophäen“ zuhause, die mich an die verschiedenen Abschnitte meines Lebens erinnern.“
Frage:
„Hat das zeitlich begrenzte, eigene Tragen von Kompression Deinen Blick auf das Thema Lipödem und die damit einhergehende Therapie verändert?“
Anian:
„Es hat mir noch mehr gezeigt was es bedeutet, sich jeden Tag in das Hilfsmittel zu „zwängen“, Lymphdrainagen in den Alltag zu integrieren und wie mühevoll es ist die Kompression -vor allem wenn man nur eine oder zwei Versorgungen hat- täglich zu waschen. Natürlich ist das zeitweise begrenzte Tragen von Kompression aufgrund meiner Indikation nicht mit dem lebenslangen Therapiemanagement von Lipödem- und Lymphödempatienten und Patientinnen vergleichbar!
Frage:
„Was möchtest Du den Leserinnen und Lesern abschließend mit auf den Weg geben?
Anian:
„Mir hat es sehr geholfen, dass Marilena mir immer offen von ihrer Erkrankung und der konservativen Therapie erzählt hat. So wurde ich sensibler für ihre Erkrankung und Probleme und war gleichzeitig besser vorbereitet für die Zeit nach meinen Operationen. Seid offen zu den Menschen, denen ihr vertraut!“
Vielen Dank, Anian dass Du Dich den Fragen der Leserinnen und Lesern gestellt hast!
Für mich als Partnerin war es ein großer Vorteil, bereits viel Wissen über die Verordnung von Kompression und Lymphdrainage zu haben, um Dich gut unterstützen zu können. Ich bin froh, dass Du nun zumindest zeitweise einen kleinen, tieferen Einblick in meinen Therapiealltag bekommen hast. Ich habe den Eindruck, dass auch wenn es 2 verschiedene Indikationen bei uns für das Tragen von Kompression gibt, das Verständnis deinerseits nun nochmal größer ist was das gesamte Krankheitsmanagement mit all den vielen, zeitraubenden Kleinigkeiten betrifft.
Wir hoffen, Euch hat der Beitrag gefallen. Ihr könnt Euch gerne mit uns unter dem Beitrag über die Kommentarfunktion austauschen und weitere Fragen stellen!
Alles Liebe,
Marilena & Anian
Mein Name ist Anian, ich bin 35 Jahre alt. Seit Marilenas Diagnose „Lipödem und Lymphödem“ 2017 habe ich sie als Partner im Krankheitsmanagement begleitet und unterstützt. Heute möchte ich im Rahmen eines Interviews, von meinen eigenen Erfahrungen mit meiner kurzzeitigen Kompressionstherapie berichten.
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2 Responses
Hallo ihr beiden, danke für den tollen Artikel. Ich finde es klasse, wie ihr euch gegenseitig unterstützt und miteinder alle Wege geht. Bitte macht weiter so.
Ich bin selber in der Flachstrickversorgung tätig und möchte euch deshalb noch etwas zu der Versorgung von Anian fragen: auf dem einen Bild ist eine Hose zu sehen, die zusätzliche Kreuzverstärkungen eingearbeitet hat. Ist dies ein normaler Expert? Wie heisst dieser Zusatz genau?
Ich bin immer auf der Suche nach weiteren Ausstattungsmerkmalen. Denn nur so kann ich auch weiterhin das bestmögliche für meine Kunden geben. Vielen Dank dafür schon mal im Voraus.
Für das neue Jahr wünsche ich euch viel Glück, Gesundheit und dass alle eure Wünsche in Erfüllung gehen.
Hallo Ihr Beiden,
vielen Dank für Euren Beitrag.
Ich glaube tatsächlich das viele Menschen nicht nachvollziehen können was Kompressionsmanagment bedeutet. Danke an Anian das Du so offen das Thema teilst .
Viele Grüsse