Cynthia
Bloggerin
In einer Gesellschaft, in der ein perfektes Körperbild als Schönheitsideal vorgelebt wird, ist es eine Herausforderung, sein Äußeres so zu akzeptieren, wie es ist. Kommen dann noch auffällige, unproportionierte Beine und Arme und alltägliche Schmerzen dazu, durchlebt auch der optimistischste Mensch ein Tief. Ich verdanke es meiner Familie und meinen Freunden, die mir immer wieder gezeigt haben, wie wichtig ich für sie bin, dass ich mich nie aufgegeben habe.
Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass mein Körper nicht meine ganze Person wiederspiegelt. Wie gerne würde ich manchmal die Zeit zurückdrehen und meinem jüngeren Ich klarmachen, dass ich mich nicht zu schämen brauche. Noch bin ich nicht im Gleichgewicht mit mir selbst, weil ich es zulasse dass das Lipödem mir Tag für Tag ein Stück die Kraft dafür nimmt. Der Weg zur Selbstliebe ist für mich ein langer Prozess, der immer noch nicht abgeschlossen ist. Sollte man nicht mit 28 Jahren in der Blüte seines Lebens stehen und dieses auch in vollen Zügen genießen können? Wieso mich diese Frage ständig begleitet und was das Lipödem damit zu tun hat, erkläre ich euch im folgenden Artikel.
Wie lange sah man dich mir an und dennoch ahnte ich nichts von deiner Anwesenheit. Eine „weibliche“ Figur sollte es mit siebzehn sein und später einfach nur eine schlechte Veranlagung. Als man mir vor knapp einem Jahr von dir berichtete, wurde mir schnell alles klar. Du warst in all diesen Jahren mein stiller Begleiter. Hast dich nur schubweise gemeldet und mir viele Schmerzen bereitet. Diese schweren Beine, die ich mit mir rumtragen musste, von denen ich aber nie wusste, dass sie sich nicht so anfühlen sollten.
All die Reisen, die ich dank meiner Weltoffenheit erleben durfte, aber bei denen du mich ausgebremst hast. Die zahlreichen Abenteuer, die mir entgangen sind, weil du dafür gesorgt hast, dass ich mich ständig versteckt habe. Diäten, die mich hungern ließen und die endlose Schleife an Frust, die daraus resultierte. Zweifel gegenüber meines Erscheinungsbildes und dieser ständige Verfolgungswahn der Blicke fremder Menschen. Die Unsicherheit, dass niemals ein Mann eine Frau mit solchen Proportionen schön finden kann. Die Angst, dass ich mich nie wirklich so lieben werde, wie ich bin. Das alles hast du mir angetan.
Scheußliches Lipödem, heute sag ich dir den Kampf an! Ich werde mich jeden Tag in diese Kompressionsstrumpfhose quetschen und bei jedem Tropfen Schweiß, den ich dadurch vergieße, über dich lachen! Ich werde nach der langersehnten OP sehen, wie du langsam verschwindest und später an den Narben erkennen, dass es die letzte Spur ist, die von dir übrig geblieben ist! Nie wieder wirst du über mich und mein Leben bestimmen.
Mein Leben hat mir gezeigt, dass jedes Übel auch etwas Gutes mit sich bringt. Deine Präsenz hat mich mit fremden Frauen verbunden, die den gleichen Weg mit dir gehen mussten, wie ich. Aus diesen Frauen wurde eine Gemeinschaft, aus manchen sogar Freunde. Und seit ich weiß, dass du nicht unbezwingbar bist, fühle ich mich allen Lipödem-Betroffenen so viel näher.
Ich wünsche mir, dass jede Frau, die deine Last tragen muss, die Kraft findet, gegen dich anzukämpfen und den Mut aufbringen kann, offen und ohne Scham über dich zu reden!
Eure Cynthia
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7 Responses
Liebe Cynthia,
Danke für deinen Beitrag .
Zunächst möchte ich sagen: du bist eine außergewöhnlich schöne Frau !
Das Lipödem macht es sicherlich nicht leichter mich so zu lieben wie ich bin , aber ich glaube es hat nicht so viel Einfluss auf meinen Selbstwert oder eben genau so viel Einfluss wie ich ihm bei messe. Ich habe das Lipödem, aber das Lipödem hat nicht mich ! Jede einzelne Frau, jedes Mädchen und auch Bub oder Mann den ich kenne hat Probleme und Unsicherheiten bezüglich des eigenen Erscheinungsbildes und den eigenen Fähigkeiten – egal ob dünn, dick , gross , klein, krank oder gesund, jung oder alt usw.. Ich denke auch das die Selbstliebe und -akzeptanz tägliche Arbeit und einen liebevollen Umgang mit sich und anderen erfordert und nicht automatisch da ist wenn die OPs durch sind oder die Waage -10kg weniger zeigt. Mich bedingungslos zu lieben wie ich jetzt genau bin fällt mir leichter wenn ich die Industrie hinter den Schönheitsidealen der Gesellschaft erkenne, mit Unsicherheiten lässt sich ja verdammt viel Geld machen. Ausserdem fokussiere ich mich darauf was mein Körper alles kann und mir ermöglicht. So wie du es beschreibst bist du trotzdem durch die Welt gereist und eine mutige , junge Frau und darauf darfst du stolz sein. Selbstliebe beginnt nicht an Tag X, es ist eine bewusste Entscheidung für mich – jeden Tag ❤
Sehr richtig! Wo soll ich unterschreiben?
ich hab auch die krankheit. muss damit leben. im sommer isses am schlimmsten. das warme is fuchtbar.die schmerzen unn der druck.
Liebe Cynthia,
Danke für deine schönen Worte. Sie berühren mir sehr. Ich bin schon 50 Jahre alt und der Kampf mit dem Lipödem und der Selbstliebe hört nicht auf. Aber du bist jung und sehr schön, genieße dein Leben, man hat nur eines. Danke
Liebe Cynthia,
Ich bin jetzt 46 Jahre alt und habe erst letztes Jahr die Diagnose bekommen. Danke für deine tollen passenden Worte. Mir fällt es immer noch schwer mich so zu akzeptieren wie ich eben bin, was aber auch daran liegt, dass ich neben dem Lipödem noch alopecia areata totales habe(totalen Haarausfall) und bis letztes Jahr in einer toxischen Beziehung lebte. Ich baue Tag für Tag mein Selbstwertgefühl auf und lebe immer mehr auf. Auch dank deiner Worte und der der anderen Frauen hier.
Liebe Cynthia,
danke für die wahren Worte, ich hatte das Gefühl Du erzählst meine Geschichte.
Du bist eine wunderschöne Frau…. Lass Dir nichts anderes einreden, genieße das Leben und kämpfe weiter es lohnt sich.
Ganz herzliche Grüße
Andrea
Liebe Cynthia,
Liebe Lip Frauen,
danke für den tollen Bericht, der ging bei mir runter wie Öl, Balsam für die Seele .
Ich musste auch erst 54 Jahre alt werden um alles zu verstehen und auch das Lipödem zu akzeptieren.
All die negativen Kommentare, von Verkäuferingenn, Männern und auch heute noch von den Ärzten.
Und warum Hosenkauf imer eine Qual war mit so viel Frust.
Jetzt weiss ich auch warum keine Diät da unten angeschlagen hat, ich nie gerne gejoggt bin, noch gut in Leichtatletik war – Bundesjugendspiele ein Grauen…. ich war nie schnell genug.
Was aber immer wichtig ist: ich habe Beine, sie sind gesund und tragen mich durch mein Leben.
ich gehe regelmässig zum Aquajogging, gehe raus zum Laufen, mache Chigong, gehe zu MLD und trage meine Kompression.
Jeden Tag versuche ich etwas positives zu sehen und habe das Lipödem angenommen.
Selbstfürsorge und Akzeptanz sind soo wichtig sowie immer dran bleiben an dem Thema.
Machts gut und gebt nicht auf, das Leben ist zu schön,
Sabine