Wenn Löwenzahn einen Weg durch den Asphalt findet, dann wirst du auch einen Weg finden.
Martina
Bloggerin
Ich bin Martina und mein Weg zu einem guten Selbstwertgefühl war/ist sehr lang und sehr steinig. Jetzt mit 34 Jahren, bin ich soweit, dass ich mich selber akzeptieren und schätzen kann. Wie die meisten anderen Frauen auch, habe ich seid meiner Pubertät diese besagten Reiterhosen gehabt. Ich habe es immer und immer wieder mit anderen Diäten versucht und ausprobiert.
Rückblickend war mein Gewicht mit 16/17 Jahren eigentlich völlig ok. Ich wog 75 kg bei einer Größe von 1,79 m. Aber die meisten Mädchen im gleichen Alter waren trotzdem etwas schlanker als ich, und das wollte ich auch sein. Also habe ich diese ganzen Diäten ausprobiert, bin fünfmal die Woche ins Fitnessstudio gerannt und das Ergebnis: Es tat sich nur sehr beschwerlich etwas. Von der Krankheit Lipödem habe ich damals nichts gewusst und somit dachte ich die ganzen darauffolgenden Jahre: Du bist einfach nur zu doof zum Essen.
Als ich 2011 umgezogen bin, wurde ich von einer mir damals fremden Frau, eine Freundin meiner neuen Nachbarin, sehr vorsichtig aber dennoch auch sehr direkt angesprochen: ob ich mit meinen Beinen nicht einmal beim Arzt gewesen bin, es sähe sehr nach Lipödem aus. Ich müsste ja Schmerzen haben und blaue Flecken ohne Ende. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Ich kannte diese Frau ja gar nicht. Ich wiegelte ab und meinte, dass mit mir alles in Ordnung sei. Dennoch nahm es mich sehr mit.
Erst einige Monate später machte ich mir Gedanken dazu ob evtl. doch etwas daran sei. Ich hatte Angst das sie recht hatte. Bis dahin schob ich diesen Gedanken immer wieder von mir weg. Und ja, blaue Flecken habe ich zuhauf, aber das würde bestimmt von meinem Job als Dekorateurin kommen. Da stößt man sich ständig. Und Schmerzen? Mh…, weiß nicht. Damals hatte ich gedacht, ich hätte keine. Heute weiß ich, dass das Reißen und Ziehen unter meiner Haut genau diese Lipschmerzen sind und nicht etwa eine Zerrung oder nervöse Nerven.
Ein Jahr später ca. befasste ich mich nochmals mit meinen Beinen, denn abgenommen hatte ich immer noch nicht. Ganz im Gegenteil, ich hatte im letzten Jahr 10 kg zugenommen ohne das ich an meinem Essverhalten oder an meinem Bewegungspensum etwas geändert hatte. Und ich habe die letzten Jahre sehr bewusste gegessen, war bei unterschiedlichen Ernährungsberatern und den ganzen Tag in Bewegung.
Einen Arzt zu finden, gestaltete sich schwieriger als ich dachte. Der erste bei dem ich war, hatte mich nur 2 Minuten angesehen und seine Worte waren hart: Sie haben Elephanthitis. Essen Sie weniger und machen Sie mehr Sport. Damit wurde ich stehen gelassen. Ein Jahr später habe ich einen weiteren Arzt gefunden, dieser lag eine Stunde von mir entfernt, aber dort bin ich auch hingefahren. Hier bestätigte man mir die Diagnose Lipödem, Grad 1-2. Man könne mir aber weiter nicht helfen, da die sonst behandelnde Ärztin dafür in Mutterschutz sei. Somit fuhr ich wieder nach Hause und war kein Stück weiter.
Ich war nun aber so gewillt zu wissen was mit mir los ist, dass ich nicht locker lies und mich jeden Tag auf die Suche nach Hilfe begab. Wieder hat es sehr lange gedauert bis ich per Zufall in einer Klinik direkt in meiner Nähe gelangt bin. Dort teilte man mir mit, dass es einmal im Monat eine Lip-/Lymphsprechstunde gäbe. Ich war irgendwie glücklich. Endlich konnte mir jemand helfen. Vor jedem Arztbesuch hoffte ich aber immer inständig, dass man mir sagte das ich kerngesund bin und einfach nur zu doof zu essen. Ich wollte gesund sein.
Bei diesem Termin in der Klinik hat sich der dortige Arzt wirklich sehr viel Zeit für mich genommen. Es bestätigte mir ein Lipödem Stadium 2, damals noch Grad 3. Das war 2015. Seither habe ich zwei Enstauungswochen in der Klinik gemacht, trage meine Kompressionsbestrumpfung und gehe 2x wöchentlich zur MLD. Des Weiteren achte ich immer noch auf meine Ernährung, habe eine Fortbildung zur Ernährungsberaterin gemacht, achte auf ausreichend Bewegung und mache Faszientraining.
Meine Psyche war seit meiner Jugend immer darauf gepolt, dass ich dicker bin als andere, das ich unsportlich bin und anders. Man sagte mir ich würde mit meinem dicken Hintern nicht auf Stühle passen, auf der Arbeit würde mir das Mittagessen in den Mund geguckt und damit kommentiert, ob ich denn wirklich immer Mittag essen müsste, ich wäre doch schon so dick. Als es dann mit Partys und Disco losging war ich immer die Größte und Stabilste somit quasi immer der Bodyguard und das Anhängsel, die eher in zweiter Reihe eine Rolle spielte.
Die ganzen Diätversuche und das Scheitern, was damit einherging, machte es auch nicht unbedingt besser. Immer hatte ich das Gefühl ich bin nicht gut genug, ich kann etwas nicht. Irgendwann habe ich mir eine Art Manege aufgebaut. Außen hui, innen pfui. Ich legte mir ein äußeres Selbstbewusstsein zu, damit niemand bemerkte wie es wirklich in mir aussieht. Das hat mir eine Zeit geholfen. Aber hinter der Fassade bröckelte es. Mit jedem Kilo das dazu kam, wurde es schlimmer.
Ich hatte mir immer gesagt, dass ich NIEMALS über die 100kg wiegen möchte. Dann kam aber der Tag an dem die Waage mir genau diese Grenze aufzeigte. Mittlerweile war das Lip auch an den Armen nicht mehr zu übersehen. Ab da ging es mit mir rapide bergab. Ich saß nur noch zu Hause und habe viel geweint.
Es hat fast ein Jahr gedauert bis ich da wieder raus kam. Auch für die Beziehung zwischen mir und meinem Männe war dies eine sehr schwere Zeit. Dann habe ich einen Spruch gefunden der in mir einen Schalter umlegte:
Wenn Löwenzahn einen Weg durch den Asphalt findet, dann wirst du auch einen Weg finden.
Ich weiß nicht warum es gerade dieser Spruch war, aber es hat funktioniert. Da ich mich zu diesem Zeitpunkt auch dazu entschieden hatte die OP´s machen zu lassen, habe ich mir auch psychische Hilfe geholt. Ich wollte nicht wieder in dieses tiefe, schwarze und so große Loch fallen.
Und im Nachhinein war dies eine sehr gute Entscheidung für mich.
Meine Psychologin hat mit mir viel aus meiner Jugend aufgearbeitet und hat mir verdeutlicht, dass die erste und wichtigste Person in meinem Leben ICH SELBER bin. Ich habe immer geschaut das es allen um mich herum gut geht und ich immer für alle da bin und alles tue. Damit ich positiv im Gedächtnis bleibe.
Darüber habe ich mich aber selber vergessen und versteckt, die Manege eben.
Jetzt stecke ich mitten in meinen Operationen, es ist ein sehr harter und langer Weg. Aber ich bin positiv. Mir geht es trotz der Strapazen sehr gut. Ich habe mein Leben und meine Einstellung umgekrempelt. Ich schaue, ob es mir mit einer Entscheidung gut geht. Ich achte auf mich, meinen Körper und höre zu, was er mir sagt. Denn nur wenn ich mit meinem Körper zusammen an einem Strang ziehe, geht es uns beide gut.
Ich bin stolz auf mich. Lasst euch niemals unterkriegen!
Eure Martina
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2 Responses
Ich habe die Diagnose Lipödem seit 2013. Ich war zehn Jahre in einer glücklichen Beziehung und als ich die Diagnose bekam, hat sich dann mein damaliger Freund von mir getrennt, aber wir sind in Freundschaft auseinander gegangen und er hat mir auch gezeigt, dass ich nicht alleine bin mit dieser Erkrankung. Doch jetzt ist er leider verstorben. Ich habe mir auch professionelle Hilfe geholt, weil ich diese Schmerzen nicht ertragen kann. Meine Mutter hat auch das Lipödem. Mich würde ja mal interessieren, was man für die Operation bezahlen muss.
Hallo Ellen,
unser herzliches Beileid! Wir wünschen Dir viel Kraft für die nächste Zeit! Liebe Grüße vom FRAUENSACHE-Team