Kathrin
Bloggerin
Hallo, ich bin es wieder Eure Kathrin! Wie versprochen gibt es zu meinem Beitrag „Mein Leben nach der Diagnose- Teil 1“ auch einen Teil 2.
Und los geht es …
Im Sommer 2013 suchte ich wegen stark schmerzender Beine einen Phlebologen auf – mein Gewicht war damals auf ca. 150 kg geklettert. Der schaute mich von oben bis unten an und fragte dann nur: „Sie wissen, was Ihr Problem ist?“ Natürlich war ich sofort wieder bedient, und demzufolge war meine Antwort auch patzig: „Ja, ich bin viel zu fett!“ Die Antwort überraschte mich dann doch. „Nein, Sie leiden an einem Lipödem.“ Auf meiner Stirn erschien ein großes Fragezeichen und das blieb dort auch erst einmal, denn das war alles, was ich an Information erhielt und den Hinweis, das ich mir von meinem Hausarzt vielleicht Lymphdrainagen verschreiben lassen könnte. Natürlich bekam ich die nicht. Fast zeitgleich – und das sehe ich (so blöd wie das jetzt klingen mag) heute als großes Glück – wurde bei mir Bluthochdruck festgestellt, mein Hausarzt war im Urlaub, und ich war gezwungen, einen anderen Arzt aufzusuchen.
Von dem Moment an wurde durch meine neue Hausärztin eine Behandlungsmaschinerie in Gang gesetzt, die mir bereits nach wenigen Wochen ein völlig neues Lebensgefühl vermittelte. Ich bekam neben den notwendigen Medikamenten auch mein erstes Rezept für Lymphdrainagen. Bereits nach drei (!) Wochen war ich zwölf Kilo leichter ‒ oder sollte ich lieber sagen: Liter. Gemeinsam mit meiner Hausärztin arbeitete ich mich durch das Thema „Lipödem“, denn wirklich Ahnung hatten wir ja beide nicht von dieser Krankheit. Klar, dass dabei Fehler nicht ausbleiben. So z. B. gab es keine Entstauung. Aber ich bekam eine Überweisung zu einer Spezialistin nach Jena. Dort wurde dann zum Lipödem auch noch ein Lymphödem diagnostiziert, und ich bekam meine erste Kompressionsversorgung verordnet.
Als die dann da war, habe ich eine Ewigkeit gebraucht, um überhaupt reinzukommen und ich habe die ganze Zeit geheult und war fest entschlossen, mir das nie wieder anzutun. Heute schaffe ich es in unter drei Minuten in die olle Hose.
Der schnelle Gewichtsverlust trug auch dazu bei, wieder mehr auf meine Ernährung zu achten, und nach einem viertel Jahr war ich 25 kg los.
Der plötzliche Tod meines Mannes hat mich dann verständlicherweise zuerst einmal völlig aus der Bahn geworfen, und Essen war völlig unwichtig. Ein paar Wochen bestand meine Ernährung aus Joghurt und Säften, weil ich einfach keine Lust zum Kauen hatte, mir aber klar war, dass ich irgendetwas essen musste. In dieser Zeit passierte noch etwas, was ich mir bis heute nicht wirklich erklären kann. Ich mochte auf einmal Sachen gar nicht mehr essen, die ich vorher nur so in mich reingestopft hatte … Schokolade, Cola, Eis, Brötchen, Kuchen usw. Ich wollte überhaupt nichts mehr, was nur irgendwie mit Kohlenhydraten zu tun hatte. In den folgenden zwei Jahren verlor ich so ca. 40–45 kg.
In der Zwischenzeit habe ich natürlich weiter meine Kompressionshose getragen, bin fleißig zur Lymphdrainage gegangen und war nach wie vor auf der Suche nach kompetenten Ärzten, da der Weg nach Jena einfach zu weit war.
Und ich habe festgestellt, dass ich selbst in dem winzigen Dorf in Thüringen nicht die Einzige mit dieser Krankheit war. Diese „Leidensgenossin“ erzählte mir dann von verschiedenen Selbsthilfegruppen bei Facebook, bei denen ich dann ganz schnell Mitglied wurde und viele wertvolle Tipps und Informationen erhalten habe. Manche Gruppen habe ich aus den verschiedensten Gründen wieder verlassen, aber einige sind mir nach wie vor eine große Hilfe und sehr wichtig. Falls jemand Interesse hat – ich führe die Gruppen im Anschluss auf. Auf meine liebste Gruppe komme ich später noch einmal zurück.
Mithilfe der Mädels in den Gruppen fanden meine Bekannte und ich auch ein paar Ärzte in der näheren Umgebung, deren Umgang mit mir als Patientin mich allerdings eher entsetzte. Inzwischen kann ich über solche Antworten nur noch lachen:
Inzwischen habe ich nicht nur Armstrümpfe, sondern auch Handschuhe.
Nun aber noch ein paar Worte zu meiner Lieblingsgruppe, die aus einer anderen entstanden ist: „Mädels, die (fast) alles tragen können, trotz Lipödem und Kompri II“ Denn noch etwas ist passiert, seitdem es das Lipödem und die Kompri in meinem Leben gibt … Ich kann keine Hosen mehr tragen. Das ist mir einfach zu viel. Ich liebe inzwischen Röcke und Kleider in allen Längen und das, obwohl ich die 100 kg noch nicht hinter mir gelassen habe. Aber ich habe wieder Knie! Viele Ideen und Anregungen habe ich von den Mädels aus der Gruppe. Vor allem diejenigen unter uns, die mit der Kompression gar nicht klarkommen oder unsicher sind, wie sie ihre Zauberhöschen ins tägliche Outfit einbauen sollen, werden hier sehr liebevoll aufgefangen und finden Rat und Hilfe.
Vor einem Jahr habe ich dann beschlossen, mein Leben noch einmal komplett auf den Kopf zu stellen und aus dem klitzekleinen Dorf in Thüringen in die große Stadt Berlin zu ziehen. Inzwischen bin ich hier sehr gut angekommen und habe mein Leben neu sortiert. Ich achte weiter auf meine Ernährung, gehe trotz sehr weit fortgeschrittener Arthrose in beiden Knien regelmäßig ins Fitnessstudio und fühle mich einfach wohl, auch in meiner Haut.
Für mich war die Diagnose eine Erleichterung und der Start in ein neues Leben. Natürlich bin ich mir auch bewusst, dass ich immer noch einen Großteil „angefressenen Ärger“ mit mir rumschleppe. Aber dagegen tu ich was. Das Wichtigste ist, sich nicht von dieser Krankheit unterkriegen zu lassen, auch wenn es manchmal schwerfällt.
Sucht Euch Hilfe überall, wo Ihr sie bekommen könnt. Auch ich helfe gerne weiter, so weit es in meiner Macht steht.
Macht Euch das Leben schön und genießt es.
Eure Kathrin
(Danke an Julia für die tollen Shootingbilder – Studio ZWO in Berlin)
Hier findet ihr eine Auflistung meiner liebsten Facebook-Gruppen:
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12 Responses
Super mutig. Es ist wichtig, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die meisten Menschen kennen diese Krankheit überhaupt nicht und haben keine Vorstellung davon, dass es hier nicht hilft, einfach mal die Schokolade wegzulassen.
Genau so kenn ich meine Kathrin und ich bin sehr stolz auf sie.
Ihr seid so lieb, ich danke euch
Wieder ein sehr schöner Beitrag. Ich mußte wieder an unsere Arztbesuche denken mittlerweile kann ich darüber lachen, was manche Ärzte so von sich geben!
Da geht es dir wie mir Besonders "gern" denke ich an unseren Besuch bei einem gewissen Arzt in Bayern zurück. Der war wirklich die Krönung
ich finde mich so darin wieder ! Toll wie du schreibst und es wäre doch schön wenn wir in den Köpfen als gleichwertig eingestuft werden. ICh kämpfe weiter nicht nur für mich sondern für jede Betroffene 🙂
Dankeschön
Danke Kathrin, dass du so ausführlich berichtet hast.Ich finde mich darin auch wieder.Vor 2 Jahren Knie OP danach durch Reha Sport ca.16kg weniger.
Jetzt leider wieder 12kg zugenommen.Ein ständiges Auf- und Ab.Ich habe mich endlich mit der chronischen Krankheit arrangiert.Bin 64Jahre alt. Seit mehr als 12Jahren die Diagnose bekommen.
Ich habe meine Knie – OP’s im letzten Jahr hinter mich gebracht. Meine Lebensqualität ist trotz Lipödem um gefühlte 500% gestiegen. Wir dürfen einfach nicht zulassen, dass die Krankheit unser Leben dominiert
Liebe Kathrin,
danke für deinen Lebenslauf – wie es uns geht mit der Diagnose Lip-/Lymphödem interessiert nicht viele, aber die offene Auskunft über die Krankheit hat so manchen umgestimmt und zum Nachdenken gebracht und Verständnis – kein Mitleid.
Glückwunsch zu deinem Mut, den Sprung in ein neues Leben zu wagen. Meine Diagnose erhielt ich 2018 – aber vermutet habe ich sie schon lange. Meinen Hausarzt habe ich gewechselt, aber bin auch enttäuscht worden. Meine Fachärztin und Lymphologin verordnet mir MLD und Kompressionsstrümpfe, Arm- und Handbestrumpfung und ich gehe alle 3 Monate zur Kontrolle. Wenn meine Kompr nicht passen, gehe ich solange ins Sanitätshaus bis sie passen. ist sehr zeitaufwendig und nervig! Ich bin auch in einer SHG vor Ort und gehe dort sehr gerne hin – Austausch, Infos und Aktivitäten rund ums Thema, aber auch andere Dinge haben Raum in unserer Gruppe.
Warum unterstützen die Ärzte uns zu wenig? Eine Antwort bekam ich mal von der Arzthelferin und Ehefrau eines Hausarztes: "damit verdient man nicht viel"! –
meine erste Entstauungsphase machte ich 10 Tage in einem KH, nun will ich mal 3Wochen in eine Lymphklinik.
Ganz liebe Grüße und genieß jeden Moment, der dir gut tut!
Deshalb weitermachen, nicht den Mut verlieren, es dürfen auch mal Tränen fließen, danach wird’s "leichter".
Liebe Kathrin, vielen Dank für den Einblick in dein Leben. Der Satz „ Aber ich habe wieder Knie“ zauberte sofort ein Lächeln ins Gesicht. Das glaube ich, verstehen nur wir Betroffenen.