Liebe deutschsprachige Leserin,
als Amerikanerin mit Lipödem und Lymphödem bin ich sehr dankbar, dass ich deutsch spreche. Vielleicht ist euch das nicht bewusst, aber Deutschland ist Weltmeister in der Behandlung von Lipödem. Meine Freunde denken schon längst, dass ich ein Deutschland-Freak bin. Aber dieses Interesse an der Sprache hat sich in meinem Leben mehrmals gelohnt. Wenn ich nicht auf einer der zahlreichen deutschen Websites über Lipödem gelesen hätte, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass ich es habe. Ich hätte dann lange suchen müssen, bis ich einen Spezialisten in Amerika gefunden hätte. Wenn ich nicht hartnäckig versucht hätte, einen Termin bei Dr. Karen Herbst zu bekommen, hätte ich die Diagnose von ärztlicher Seite nicht erhalten. Dankbar bin ich auch, dass ich sehr viele Informationen über Behandlungen auf Deutsch lesen konnte. Deutschland ist ein Mekka für unsere Krankheit: Meine maßgeschneiderten Kompressionsstrümpfe stammen aus Bayern, meine Medikamente gegen Blutgerinnsel von Bayer in Leverkusen. Die Lymphdrainagemethode, die mir zweimal in der Woche das Schwellen lindert, hat ihre Wurzeln in Baden-Württemberg. Auch die Online Community von Lipödem-Kämpferinnen ist viel ausgebreiteter. Ich stieß mit 51 Jahren in meiner Heimat Kalifornien auf diese starken Verbindungen mit Deutschland – viele Jahre nach meiner ersten Deutschlandreise mit 15 als Austauschschülerin in Stuttgart.
Ja, in Amerika sind so viele dick, dass sie gar nicht als krank betrachtet werden. Nach deutscher Sichtweise ist mindestens die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung fettleibig. Ich trage hier mittlere Konfektionsgröße. Ich habe nie geahnt, dass es eine medizinische Erklärung für meine runden Oberschenkel gibt. Amerikanerinnen fehlt die kritische Distanz zu sich selbst. Ich bin lange Zeit auch dieser Selbsttäuschung zum Opfer gefallen. Ich habe nicht gewusst, dass ich krank bin. Und weil ich mein Problem nicht als Krankheit wahrgenommen habe, machte ich das Beste daraus und versuchte verzweifelt, mit vernünftiger Ernährung und Sport mein Gewicht unter Kontrolle zu halten.
Wegen dieser Blindheit sind die USA auch so weit hinter Deutschland her. Fettsucht und Lipödem werden nicht differenziert. Unsere Ärzte sind mit dieser häufigen Fettverteilungsstörung kaum vertraut. Allerdings wird geschätzt, dass 10 Prozent der Frauen in den USA darunter leiden. Das ist verständlich: das Gesundheitssystem hat größere Probleme, weil Amerika auch dicker ist als Deutschland. Die Ärzte müssen deshalb ein Übermaß an Zuckerkrankheit, Herzkreislauferkrankungen, Gelenkschmerzen und jetzt auch Corona, das auch Fettleibige härter trifft, behandeln. Es war eine Anstrengung vor zwei Jahren, meinen an sich sehr guten Hausarzt darüber zu informieren. Langsam lernen wir hier über die Krankheit, aber Deutschland ist eindeutig viel weiter.
Mit freundlichen Grüßen aus Kalifornien
Amy 🙂
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3 Responses
Hallo liebe Amy.
Danke für Deine Erfahrungen aus den USA. Mich würde noch interessieren, ob Du Deine Kompression über eine Krankenversicherung bekommst und wie es um fähige Sanitätshäuser steht.
Liebe Grüße aus Norddeutschland, Alex
Auch hier ist es nicht einfach einen Arzt zu finden der sich damit auskennt. Selbst in einer Spezialklinik für Lymphologie wurde eine Magenband OP empfohlen. Ok die reduziert das Gewicht aber nicht die Krankheit.
Danke für diesen interessanten Einblick!! Ich habe erst mit 68 meine Diagnose bekommen, ein Osteoporosemedikament brachte einen Schub. Aber du hast recht, auch wenn hier noch vieles im Argen ist und die Arztsuche oft schwierig, haben wir eine immer größer werdende Community und das hilft sehr!!
Alles Liebe dir aus dem Schwabenländle Uli