Wir alle hatten diese Gefühlsachterbahn nach Erhalt der Diagnose: „Juchu, ich bin nicht schuld“ – „Oh nein, ich kann nichts dagegen machen“ – „Jetzt erst recht“ – „Das nützt doch nichts“. Dieses innere Chaos beeinflusst plötzlich viele Bereiche unseres Lebens. In meiner Beitragsreihe möchte ich mich dem Thema Sport mit Lipödem widmen, dem inneren Schweinehund und dem Grund Sport zu treiben – oder eben nicht.
Die Aussage: „Ich mache Sport trotz Lipödem“ sagt indirekt aus, dass es nicht normal ist sportlich zu sein, wenn man ein Lipödem hat. Es muss eine besondere Überwindung sein, Sport zu machen, wenn man ein Lipödem hat. Aber das ist es nicht.
„Das geht nicht. Das kannst Du nicht.“ Der Gedanke war in meinem Kopf, immer bevor ich etwas Neues ausprobiert habe. Und das war schon so, lange bevor ich die Diagnose erhalten hatte. Das ist keine Frage des Gesundheitszustandes, sondern der inneren Einstellung. Du entscheidest, ob Du auf dem Sofa sitzen bleibst oder nicht, nicht das Lipödem.
Doch auch Du entscheidest, was Du machen möchtest. Sportlich zu sein heißt nicht gleich einen Marathon zu laufen oder hunderte Kilometer mit dem Rad zu fahren. Egal ob Dir (noch) die Motivation fehlt oder Du körperlich nicht zu mehr in der Lage bist, auch das Spazieren um den Block ist sportlicher, als nichts zu tun. Finde Deinen Sport, nicht den des Lipödems.
Mit dem Lipödem sportlich aktiv zu sein, so liest man zumindest immer wieder, ist anstrengender als ohne. Die Bewegungen kosteten mehr Kraft, man habe von Grund auf weniger Ausdauer und müsse entsprechend mehr trainieren, um auf den gleichen Stand eines „gesunden“ Sportlers zu kommen.
Ob das tatsächlich so ist, weiß ich nicht. Auch wenn das Lipödem nicht direkt bei der Geburt ausgebrochen ist, so kann ich dennoch nicht klar einen „vor-dem-Lipödem-Zustand“ von meiner aktuellen Konstitution abgrenzen. Unterm Strich ist es egal ob ich Lipödem habe oder nicht. Für mich ist Sport so anstrengend wie er eben ist. Lediglich Vergleiche mit anderen Sportlern sollte ich nicht ziehen.
Und da ist sie wieder – die Kopfsache. Mich demotiviert es, wenn ich trotz Training langsamer bin als meine Freundin ohne Training. Andere finden genau in diesen Vergleichen ihren Antrieb. Möchten sich messen, um noch härter zu trainieren und um zu sagen: „Das schaffe ich mit Lipödem“.
„Jetzt erst recht“ trifft es hier ganz gut. Auf Facebook und Instagram findet sich manche Frau, die – hier sage ich es ganz bewusst – trotz Lipödem durchtrainierte Arme und schlanke Beine hat. Auch ohne Operation. Bei eben diesen Frauen ist der Sport oft Mittelpunkt des Lebens geworden. Soweit musst Du nicht gehen – außer natürlich Du willst das. Vielleicht reicht es Dir aber auch aus, zu wissen, dass Du mit Sport anderen Erkrankungen wie beispielsweise Adipositas vorbeugen kannst.
Das Lipödem können wir mit Sport nicht aufhalten. Aber er schadet auch nicht. Wichtig ist, in meinen Augen, Spaß an der Bewegung zu finden. Sich vor, während und nach der Aktivität wohl zu fühlen. Sich seine eigenen Prioritäten zu setzen und auf seinen eigenen Körper zu hören.
Wenn ich Dich in meinen nächsten Beiträgen zu der ein oder anderen Sportart motivieren kann, freue ich mich. Wenn Du weitere Stimmen zum Thema „Sport mit Lipödem“ hören möchtest schau Dich gerne hier im Blog um, es gibt schon so viele tolle Berichte. Und wenn Du magst schließe Dich uns Lipödemkämpferinnen an – egal ob Du schon sportlich bist oder Du auf der Suche nach dem eigenen Antrieb bist.
Eure Kathi
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11 Responses
Lieben Dank für diesen Artikel,
er macht mir Mut, meinen Weg in Sachen Sport zu finden. In manchen Dingen hab ich mich wieder erkannt und ich hab für mich beschlossen, die Couch ist keine Option für mich!!!!
Sehr gerne, Sandra!
Melde Dich gerne einmal, wenn du deinen Weg gefunden hast! Oder auch, wenn du Unterstützung dabei brauchst. Liebe Grüße, Kathi
Toller Artikel, danke.Trotz Lipödem habe ich 36kg abgenommen. Natürlich auch mit Sport. Auch das geht, entgegen so manch ärztlicher Meinung. Ich bin Stadium 2, ich glaube aber bin jetzt sogar 3. Ich hatte gerade einen heftigen Schub. Aber ich denke da nicht viel drüber nach. Also los Mädels. POWER
Respekt! Toll zu sehen, dass du dich nicht aufhalten lässt!
Liebe Kati, danke für diesen schönen Artikel!
Sehr gerne, Ruth 🙂
Ich habe mal eine Frage an alle sporttreibenden. Hattet ihr nach dem Sport auch in den Beinen so ein Kribbelgefühl, als wenn Luftblasen die Beine hochwandern? Also es war ein gutes Gefühl, aber ich bin nicht sicher ob es gut ist.
Hallo Ranna,
ich kenne das bisher nicht. Wenn ich Sport ohne Kompression mache habe ich danach allerdings sehr unruhige Beine. Vielleicht geht das in die Richtung?
Hallo Kati,
unruhig? hmm ich denke nicht. eher wie Sprudelwasser :o). Wenn ich dran denke werde ich bei Gelegenheit mal meine Ärztin fragen. Vielleicht haben sich die Beine über die Komression beim Sport gefreut und ne Champusparty gegeben. Falls jemand anderes das kennt gerne melden. Wenn ich etwas herausfinde poste ich es auch gerne.
Hallo Ranna,
ich kenne dieses Gefühl in den Beinen. Es tut meinen Beinen gut und sie fühlen sich anschließend etwas leichter an, wie nach der MLD ;-). So etwas kommt bei mir, wenn ich während des Bügelns auf meinem Balancepad zu Musik „marschiere“.
LG,
Andrea
Gibt es diese TShirts irgendwo zum Bestellen? Liebe Grüsse aus der Schweiz