Hallo, liebe Mit-Lipladys,
Ich bin Sarah, 32 Jahre alt und habe Lipödem.
Wie in meinem letzten Beitrag auf dem Blog schon angekündigt, folgen nun konkrete Tipps für Euch, wie Ihr am besten mit der oft ohnehin schon unangenehmen Praxissituation umgehen könnt, wie Ihr Ruhe bewahrt und wie Ihr die Fragen beim Arzt oder der Ärztin platziert, die Euch auf der Seele brennen.
Kurzum: ein kleiner Guide für Euren nächsten Arzttermin!
Ihr seid auf einen Arzt gestoßen, bei dem Ihr Euch unwohl fühlt oder der sogar „frech“ und persönlich wird?
Natürlich weiß man vorher nicht, auf was für einen Menschen man stößt, betritt man eine neue Arztpraxis zum ersten Mal. Auch, wenn vielleicht die Website des Arztes ordentlich wirkt, man dort lächelnde Gesichter im Reiter „Unser Praxisteam“ sieht und es alles freundlich wirkt: Man kann den Menschen nur vor den Kopf gucken und sicherlich sind Enttäuschungen leider weit verbreitet und gut möglich.
Was kann man nun also tun, um Enttäuschungen zumindest zu minimieren und vorbereitet zu sein?
Checkt die Google- sowie Jameda-Bewertungen des Arztes/ der Praxis
Hat die Praxis viele gute Bewertungen? Was wurde dort geschrieben? Gibt es mehr positive als negative Bewertungen? Oder gleicht sich das aus oder überwiegt das Negative vielleicht? Was wird denn negativ bewertet, wird auf Einzelheiten in den Bewertungen eingegangen? Und wenn ja, würde Euch der von anderen bereits negativ bewertete Aspekt auch als schlecht auffallen und Euch stören?
Hat die Praxis vielleicht einen Social Media Auftritt?
Auch bei Facebook kann man Bewertungen nachlesen. Was postet die Praxis auf Social Media? Wie sind die Posts, wirken sie sympathisch? Würdet Ihr die Praxis abonnieren auf Instagram? Wie oft wird etwas neues gepostet, wann das letzte Mal? Natürlich muss es nicht heißen, dass Praxen, die nicht auf Social Media vertreten sind oder dort nur wenig posten, schlecht sind. Social Media ist aber trotzdem DAS Informationsmedium schlechthin heutzutage und man kann sich dort auch oft bereits einen relativ guten ersten Eindruck verschaffen.
Ebenfalls interessant:
Ihr habt alles vorab geprüft und Euch einen Termin geben lassen. Nun steht Ihr in der Praxis, gespannt wie ein Flitzebogen, nervös, unsicher, habt vielleicht Angst oder freut Euch sogar. Und dann ist der Arzt einer von der „schlechten Sorte“ 😉 und Ihr werdet negativ überrascht.
Leider gibt es Ärzte, welche sich keine Zeit nehmen, nicht auf den Patienten eingehen, nicht richtig zuhören, oder auch sogar persönlich werden, Euch verbal angreifen, blöde Sprüche klopfen, lustig sein wollen (und es nicht sind) oder die Chemie stimmt einfach nicht und Ihr fühlt euch nicht wohl.
Leider sind auch lange nicht alle Damen selbstbewusst und können frei heraus sagen, was sie denken. Dabei ist genau dies Euer aller gutes Recht!
Ich möchte Euch gern ein paar Tipps mit an die Hand geben, wie Ihr reagieren könnt und was Ihr tun könnt in Situationen, die unangenehm für Euch sind oder Euch sogar verletzen.
Tipp 1: So simpel wie wirkungsvoll: Gehen.
Wenn Ihr wirklich auf einen Arzt stoßt, der beleidigend wird, der Euch angreift oder Euch nicht ernst nimmt, beendet das Gespräch z. B. mit dem Klassiker „Danke, ich überlege mir das.“ oder „Danke, ich glaube, so kommen wir leider nicht zusammen.“ oder „Ich möchte mir über Ihren Vorschlag/das, was Sie gesagt haben/etc.. gerne noch einmal in Ruhe zuhause Gedanken machen/mit meinem Mann/Familie/Eltern sprechen. Ich rufe Sie an.“ Oder auch, beispielsweise wenn tatsächlich beleidigende Sätze fallen: „Ich möchte mir das nicht anhören. Das muss ich nicht. Danke trotzdem für Ihre Zeit.“
Bleibt freundlich, das nimmt dem Angreifer immer den Wind aus den Segeln und wirkt selbstsicher. Selbst, wenn Euer Gegenüber Eure Freundlichkeit nicht verdient hätte. Steht dann auf, nehmt Eure Sachen und verlasst die Praxis. Ihr dürft das!
Tipp 2: Setzt Grenzen.
Wenn Ihr merkt, der Arzt überschreitet Eure persönlichen Grenzen im Gespräch oder bei der Untersuchung, ist es Euer Recht, STOPP zu sagen und es auch deutlich zu signalisieren. Ihr dürft sagen:
„Ich möchte hier nicht weiterdiskutieren.“ , „Bitte hören Sie damit auf.“, „Aua, Sie tun mir weh!“, „Bitte etwas weniger fest, danke!“
„Das ist mir jetzt zu persönlich.“, „Darauf möchte ich nicht antworten.“, oder auch „Das war eigentlich nicht meine Frage.“
Oder aber auch: „Bitte beantworten Sie einfach meine Frage.“, „Bitte seien Sie ehrlich zu mir.“ oder sogar: „Ich möchte keine Operation. Ich möchte es mit der konservativen Therapie versuchen.“
Wenn noch z. B. eine Arzthelferin mit im Raum ist und Ihr das nicht möchtet, weil Ihr alleine mit dem Arzt freier sprechen könnt, dürft Ihr auch das sagen: „Können wir uns bitte alleine/unter 4 Augen/ im Vertrauen unterhalten?“ Oder ganz klar heraus: „Ich möchte nicht, dass noch jemand anwesend ist. Ich möchte mich nur mit Ihnen unterhalten/ mir ist das unangenehm/ mit Ihnen allein kann ich offener sprechen“.
NEIN zu sagen ist IMMER Euer Recht, auch beim Arzt!
Schaut Euer Gegenüber dabei direkt an, weicht dem Blick nicht aus, auch wenn es Euch schwerfällt. Versucht, nicht zu stottern und deutlich zu sprechen, mit fester Stimme. Ihr dürft dazu auch eine passende Geste machen. Falls im Stehen, steht gerade dabei, richtet Euch auf. Zeigt auch mit Eurem Körper deutlich euer NEIN.
Der Arzt schaut Euch an und sagt „Lipödem? Ach was… machen Sie mal mehr Sport und essen Sie weniger, dann wird das schon wieder/ dann geht das Lipödem weg.“
Wenn man dies einem Menschen sagt, der Lipödem noch nicht kennt.. das kann fatal enden. Natürlich glauben diese Damen das dann und entwickeln noch eine Essstörung dazu oder sporteln sich halb zu Tode! Man kann sein gesundes Fett abnehmen, das Lipödem aber NICHT!
Man schaut den Doc an, ist verunsichert, fühlt sich klein und elend, weil man vielleicht schon einiges an Diäten hinter sich hat. Und trotzdem kommt dieser Spruch.
Was Ihr antworten könnt:
„Vielen Dank für Ihre Diagnose, das ging aber schnell.“
Kurz, knapp, knackig. Der Doc wird vielleicht sagen, er habe noch gar nichts diagnostiziert oder Euch verwundert anschauen. Oder er reagiert gar nicht, was für Euch wiederum ein gern angenommenes Gesprächsende sein kann. Ihr könnt an dieser Stelle wieder Punkt 1 anwenden und gehen, oder Ihr sagt „Dann stellen Sie doch bitte jetzt eine richtige Diagnose.“
Oder Ihr fragt einfach: „Woher wissen Sie das über mich? Kennen Sie mich?“ oder „Danke. Glauben Sie, ich höre Ihren Ratschlag heute zum ersten Mal?“
Er kann nach eurem Sport- und Essverhalten vielleicht fragen als Arzt, aber niemals voraussetzen, dass Ihr sowieso faul seid und einfach nur dick.
„Rauchen Sie/trinken Sie?“ oder etwas in der Art und/oder Euch wird kein Glauben geschenkt, wenn Ihr mit Nein antwortet – wenn Ihr Euch wohl dabei fühlt und es die Situation erfordert, haut ein bisschen Sarkasmus raus:
Einfach mit „Najaaa.. so ein paar Gläser Wein am Tag finde ich jetzt nicht schlimm, manchmal brauche ich dann schon auch was Stärkeres, sonst kann man ja den Arbeitstag nicht überstehen.“ 😉
„Ja, ich trinke. Ich trinke zum Beispiel immer viel Wasser und mag gern Fruchtsäfte. Soll ich nicht mehr trinken, wird es mir dann besser gehen?“
Oder: „Klar. Kettenraucherin, ich hoffe, ich bekomme kein Raucherbein, das sieht nicht so toll aus.“
Oder: „Warum? Meinen Sie, weil ich mehrgewichtig bin/Lipödem habe, lebe ich automatisch ungesund?“
Hier gibt es viele Möglichkeiten. Ihr könnt es ins Lächerliche ziehen. Ihr könnt eine doofe Gegenfragen stellen. Ihr könnt die Frage „beantworten“ auf doof :-), denn er fragt ja nur nach „trinken“, nicht nach was genau. Ihr könnt in die Offensive gehen.
Seid kreativ!
Was natürlich immer passieren kann:
Der Arzt möchte Euch direkt die OP „andrehen“, weil alles andere sowieso nicht hilft. Ihr könnt natürlich direkt antworten, dass Ihr das nicht wollt. Das ist Euer Recht. Ihr dürft NEIN sagen, wie bereits erwähnt.
Oder Ihr sagt „Bitte zeigen Sie mir Quellen und Studien, die belegen, dass die konservative Therapie in Kombination mit meiner gesunden Ernährung nichts bringt.“ Damit könnt Ihr dem Arzt den Wind aus den Segeln nehmen, indem Ihr zeigt, dass Ihr nicht doof seid und so nicht mit Euch reden lasst. Der Arzt wird vielleicht ins Schwitzen kommen, weil er so schnell natürlich keine Quelle parat hat. Beobachtet seine Reaktion.
Ihr könnt fragen „Möchten Sie nur Geld verdienen?“, was aber natürlich auch wieder etwas grenzwertig ist und auf die Situation ankommt.
Generell ist es immer wichtig, selbstbewusst und bestimmt aufzutreten. Wenn man einmal eine schlagfertige Antwort gegeben hat, kommt der Rest meist automatisch, Ihr werdet sehen, es fühlt sich gut an 🙂
Aber auch, genau zu sagen was man will. Seid in jedem Fall immer freundlich, lächelt euer Gegenüber an.
Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit kann man lernen – auch mir fällt das nicht immer leicht, das ist auch immer tagesformabhängig. Übt vielleicht vor dem Spiegel zuhause oder geht mögliche Gesprächsverläufe mit Eurem Partner, mit Familienmitgliedern oder Freunden durch, das kann ebenfalls helfen. In der Praxis könnt Ihr Euch auch gewisse Dinge notieren, zuhause nochmals recherchieren und bei einem Folgetermin jederzeit nachfragen.
Ich hoffe, Euch hat mein Beitrag gefallen und vielleicht hilft er Euch sogar!
Alles Liebe,
Eure Sarah
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7 Responses
Hallo,
deine Tipps finde ich sehr wichtig und richtig.👍
Ich kann nur sehr schwer für mich selbst einstehen, das ist häufig ein Problem. Ich bin gut informiert und kann dann aber nicht aus meiner Haut, bin eingeschüchtert.
Ich hatte einen Arzt, der sehr unfreundlich reagiert hat. Immer.
Ich habe mir einfach jemanden mitgenommen. Meine beste Freundin, die ich vorher auch über die Erkrankung informiert habe. Die hat mich dann unterstützt, indem sie, wenn ich nicht weiter kam, einfach dazwischen gegrätscht hat, damit ich meinen Mund aufmache.
Das ist noch mein Tipp zum Thema.😄
Liebe Grüße!
Der Tipp mit deiner Freundin ist auch klasse, natürlich ist es immer hilfreich, eine Begleitperson, der man vertraut, mitzunehmen. Häufig gibt es ja auch Praxen, die wegen Corona zB. keine Begleitung zulassen oder nur in besonderen Fällen, bei behinderten Patienten zb. . Aber sofern man jemanden mitnehmen darf, ist das ein super Tipp:)
Leider fallen mir die besten Sprüche erst zu Hause nach dem Artzbesuch ein. Ich bin leider nicht so schlagfertig, egal ob ich es vorher übe.
Meine Mutter war Raucherin, bei ihr war das Rauchen natürlich der Grund für alle Beschwerden bei ihr. Übergewicht ist es demnach auch.
Der Orthopäde meinte zu mir, ich soll abnehmen, dann wird es besser. Ich habe jetzt 20 kg abgenommen und die Beschwerden sind immer noch da.
Ich geh ungern zum Arzt. Und das wird sich auch nicht ändern.
Das kann ich gut verstehen, ich hab das auch häufiger, dass mir erst im Nachhinein einfällt, was ich auch hätte antworten können. Manchmal wird man auch einfach so „überfahren“ in einem Gespräch. Es sei denn, ich habe richtig Wut, dann muss ich aufpassen, nichts unbedachtes zu sagen, woraus mein Gegenüber mir auch „einen strick drehen“ könnte 😉 und ich mir am Ende noch selbst ins Bein schieße, quasi 😉 aber ich kenne das gut.
Deine Tips hätte uch vor einem Jahr gebraucht. Ich bin heulend aus der Praxus bei meiner Ärztin. Sie hat eigentlich einen guten Ruf gehabt. Da ich kaum gehen kann und mich such nicht an den Beinen selbst ausziehen kann kam meine große Tochter mit. An dem Tag hatte ich auch noch enorme Schmerzen im Bein. Zudem bin ich Adipös. Die Arzthelferin war sehr net und bedauerte mich sogar wegen meiner vielen Diagnosen. Dann kam die Ärztin rein. Sah mich von oben bis unten an meinte das ich für ihre Geräte zu schwer bin und ich müsste auf einen 20 cm hohen Hocker stehen. Sie möchte meine Venen kontrollieren die wären bestimmt kaputt. Ich kam vor Schmerzen aber nicht auf den Hocker. Da schimpfte sie wie kann man nur so dick sein ich müsste mir sofort den Magen verkleinern lassen. Si könnte mich niemand untersuchen. Ich sollte mich nicht so gehen lassen. Sie könnte mir einfach so eine Versorgung aufschreiben. Selbst die Arzthelferin war peinlich geschockt. Ich konnte nichts sagen, mir liefen einfach die Tränen.
Jetut habe ich einen sehr guten Arzt. Aber beim ersten Termin hatte ich mega Angst. Aber ich musste nirgends draufsteht sondern er hat meine im Sitzen untersucht. Aber vor allembehandelt er mich als Mensch.
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Arztpraxis. Ich war schon öfters bei einem Arzt. Danke für den Tipp, vorerst die Bewertungen der Arztpraxis zu überprüfen.
Ein Arzt möchte ja auch nur das Beste für seine Patienten. Aber trotzdem kann man auch auf Vermutungen hinweisen und darüber sprechen. Wie alt warst du, als Lipödem bei dir festgestellt wurde?