Ein Mensch mit Adipositas, der an Magersucht leidet?
Verrückt?
Nicht möglich?
Die versteckte Magersucht (atypische Magersucht)
Ich erzähle euch von mir, von meinem Leben mit Essstörungen. Das Gewicht war schon immer ein Auf und Ab bei mir. Ich bin gefühlt schon immer von einer Essstörung in die andere gerutscht und nie ganz raus gekommen. Aufgeben ist und war dennoch nie eine Option.
Eine Essstörung ist nie einfach, egal in welche Richtung.
Jeder Tag ist ein Kampf. Was esse ich heute, esse ich überhaupt? Ich kann nicht aufhören, alles in mich hinein zu schaufeln. Täglich auf die Waage zu gehen, sich immer vermessen ob es weniger Zentimeter an Umfang sind.
So geht es jeden Tag und manchmal bemerke ich am Ende des Tages, dass ich das Essen „vergessen“ habe. Immer wieder Fasten und tagelang nur Obst oder Gemüse essen. Besessenes Kalorienzählen und sich täglich rund um die Uhr Gedanken ums Essen machen. Über einen Zeitraum von sechs Jahren verlor ich nun 85 kg. Das sind alles eindeutige Symptome einer Essstörung. Trotz alledem gelte ich nicht „offiziell“ als magersüchtig, weil ich nicht im Untergewicht bin.
Ich bin in der Altenpflege tätig und die Tage sprach mich das erste Mal eine Kollegin an, ob ich überhaupt noch essen würde. Auch anderen Kollegen und Bewohnern fällt immer mehr auf wie „schlank“ ich geworden bin. Natürlich gefällt mir das als Kompliment, es macht aber auch irgendwie Angst. Angst, dass ich weiter reinrutsche, in diese gruselige Spirale. Ich bin in Therapie, aber auch die Therapeuten können nur bis zu einem bestimmten Punkt helfen.
Mein Höchstgewicht lag bei 180 kg, aktuell bin ich bei 93 kg. Damit gelte ich nicht als untergewichtig und offiziell nicht als magersüchtig.
Jedoch natürlich auch nicht als „nicht essgestört“. Durch mein Lipödem im Stadium 3 sind die Proportionen von Ober- und Unterkörper sowieso schon verändert und so fällt die Essstörung nicht sofort auf.
OSFED steht für „Other Specified Feeding and Eating Disorders“ und umfasst alle sogenannten atypischen Essstörungen, die sich nicht klar einer der klassischen Kategorien (Anorexie, Bulimie, Binge-Eating) zuordnen lassen. Die Mehrzahl der betroffenen mit Essstörung erfüllt nicht alle Kriterien für eine dieser drei Krankheiten. Deshalb ist OSFED nicht einfach eine „Restkategorie“, aber ein atypisches Essproblem ist auch nicht weniger gefährlich als ein klassisches.
Ich möchte, dass ihr auf Euch auf Eure Mitmenschen achtet. Nicht alle Erkrankungen sind offensichtlich und Worte können viel auslösen.
Eure Ramona
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Eine Antwort
Liebe Ramona,
das tut mir beim Lesen schon in der Seele weh. Aber danke fürs Teilen. Erkrankungen, die man nicht sieht… Da kann ich auch Bücher drüber schreiben. Und was das Essen betrifft, habe ich mich viele Jahre verrückt gemacht und hatte nur noch Nährwerte im Kopf, weil ich unbedingt abnehmen wollte. Als mir bewusst wurde, dass ich das schon zwanghaft betreibe, bin ich da aber alleine raus gekommen. Und das recht schnell.
Alles Gute Dir auf Deinem Weg und liebe Grüße, Viola